Punkt für Punkt zum inneren Frieden

Brockscheid · Bonn, Berlin, Brockscheid. Nach 60 Jahren Hauptstadt lebt Joachim Szymczak seit einem halben Jahr in der Eifel. Der als U-Bahn-Maler in Bonn und Berlin bekannt gewordene Künstler findet hier die Ruhe, die er auch in der Malerei sucht. Um Konzentration, Versenkung und Zeitlosigkeit geht es ihm. Dafür hat er ein Rezept: Er tupft in aller Seelenruhe Punkte.

Brockscheid. Joachim Szymczak ist auf den Punkt gekommen. Im doppelten Sinne: Der Maler setzt mit Farbe Punkte, nichts als Punkte und erreicht damit sein Ziel, den inneren Frieden. Mit einem kleinen Spachtel punktet er andächtig Ölfarbe auf alle möglichen Flohmarktfundstücke oder Filzflächen. Die Zeit berührt ihn dabei nicht. Ihm geht es nicht ums Fertigwerden. Worum dann? "Geistige Ruhe", lautet seine Antwort. "Ich male nicht, ich meditiere." Sein Ziel sind nicht die schönen Bilder, sondern allein die Selbstfindung. Und dafür nutzt er, womit er am besten umgehen kann: das Werkzeug des Malers. Er nennt es "meditativen Pointillismus".Vor 16 Jahren lernte er in Thailand die Meditation kennen und entdeckte, dass er das konzentrierte Gefühl durch gleichmäßiges Tupfen von Farbe in die Malerei umsetzen kann. Vorher war sein Stil wild - Joachim Szymczak tobte sich in seinen Bildern aus. Spuren sind noch in Bonn und Berlin zu sehen. Von 1988 stammen die Bilder, die im U-Bahnhof Breitenbachplatz in Berlin zu sehen sind, 1994 malte er die Potsdamer Motive am Bonner U-Bahnhof Stadthalle und verschönerte 1999 den Bonner U-Hauptbahnhof gemeinsam mit Kindern - ein Projekt, mit dem er 1990 auch schon in Berlin für Medienrummel gesorgt hatte."Jetzt mach ich nur noch Pünktchen", stellt er in seinem neuen Atelier in Brockscheid lapidar fest. Vor einem halben Jahr ist er zu seiner Lebensgefährtin in die Eifel gezogen. Wenn er nicht malt, renoviert er das alte Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert. Im umgebauten Heuschober hat er sein Atelier eingerichtet. Es riecht nach Holz, im Kachelofen flackert ein Feuer, durch die verglaste Giebelseite fällt viel Licht. Den großen, hohen Raum hat Szymczak mit wenigen Gegenständen eingerichtet. Auf dem Beistelltisch neben dem Sofa liegen zwei Bücher über buddhistische Lehre und Meditation. Sonst gibt es nur den Maltisch und wenige wohlplatzierte Kunstobjekte. Sie alle haben Pünktchen. Die vielen Gemälde aus den vergangenen 40 Jahren lagern in der angrenzenden Scheune oder in seinem Atelier in Bonn. Dort ist er noch zweimal im Monat. In Bonn begann auch seine Karriere. Als Schüler entdeckte Szymczak die Kunst als Weg, sich vom übermächtigen, angsteinflößenden Vater freizuschwimmen. Szymczak erlebte seinen Vater als autoritären Schulrektor, erzkonservativen CDU-Hauptstadt-Politiker und meist abwesenden Landtagsabgeordneten Nordrhein-Westfalens. Szymczak litt unter seiner Härte. Als Junge sei er nervös gewesen, unkonzentriert, ein Schulversager. Wegen seiner Begabung nahm ihn die Glasfachschule in Rheinbach trotzdem auf. Später wechselte er zur Kölner Fachhochschule für Kunst und Design.Als Student stänkerte Szymczak in der Öffentlichkeit hartnäckig gegen seinen Vater und galt bei der Bonner CDU als Provokateur. Er soff mit Willy Brandts Sohn und ging mit der Tochter des Innenministers. Bis er genug vom politischen Klüngel hatte und die damalige Bundeshauptstadt in Richtung Berlin verließ.Die Eifel ist ein guter Platz

Seinen Altersruhesitz hat er mit 60 Jahren in Brockscheid bezogen. Für ihn, der sein Leben lang den inneren Frieden suchte, ist die Eifel ein guter Platz, findet er. Wegen der Natur und der Abwesenheit von Ablenkung. "Ich werde hier bauen, feiern, wandern, schaffen und leben ohne Rummel", sagt Szymczak. Wo er gern zu Gast ist, verraten seine Bilder. Kostproben hängen in der Dauner Pizzeria Don Fra und dem Manderscheider Café Le Port.Vom 6. Mai bis 15. Juni stellt Joachim Szymczak im Bonner Forschungszentrum Caesar, Ludwig-Erhard-Allee 2, aus. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 bis 16 Uhr.Extra

Joachim Szymczak wurde 1952 in Mülheim/Ruhr geboren und wuchs in Bonn auf. Von 1968 bis 1971 besuchte er die Glasfachschule Rheinbach. Bis 1975 studierte er an der FH für Kunst und Design in Köln Freie Grafik, Kunstgeschichte und Soziologie. Von 1979 bis 1981 war er Meisterschüler im Fach Freie Malerei. Nach dem Studium zog es ihn nach Berlin. Dort blieb er bis zu seiner Rückkehr nach Bonn 1992. Seit 2011 lebt er in Brockscheid bei Daun. Seit Anfang der 80er Jahre sind in Bonner und Berliner U-Bahnhöfen Exponate von ihm zu sehen. sys joachim-szymczak.de

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