Radlversteher, Bahnexperte und Visionär sagt ade

Trier · Charismatisch, authentisch, ernsthaft, kreativ. So beschreiben Weggefährten Heiner Monheim. Als der Geografieprofessor 1995 an die Uni Trier berufen wurde, war er kein unbeschriebenes Blatt mehr in Sachen Stadt- und Verkehrsplanung. Nun hat er sich von seinem Lehrstuhl verabschiedet, nicht aber aus Stadt und Planung.

 Ein letztes Kolloqium: Der Trierer Geografieprofessor Heiner Monheim nimmt Abschied von der Uni, bleibt jedoch Trier und der Stadt- und Verkehrsplanung verbunden. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Ein letztes Kolloqium: Der Trierer Geografieprofessor Heiner Monheim nimmt Abschied von der Uni, bleibt jedoch Trier und der Stadt- und Verkehrsplanung verbunden. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Trier. Das Ende der Auto- und Staugesellschaft ist seine Vision. Heiner Monheim hat die notwendigen Strategien und Maßnahmen der Verkehrswende im Trie rer Manifest im Rahmen des Bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongresses (Buvko) an der Uni Trier verkündet. "Öffentliche Räume sind das Wichtigste in der Stadt. Hier beginnt die gesellschaftliche Integration!", sagt der nun emeritierte Geografieprofessor. "Es ist töricht, dass sie nur den Autos gehören und die kleinen Kinder nicht interessieren." Straßen für alle fordert er sozusagen. "Straßen für alle" hieß schon 1990 das Buch, das er mit seiner verstorbenen Frau Rita Monheim-Dandorfer geschrieben hat.
20 Zwillinge, die genauso denken


"Wir haben uns thematisch blind verstanden." Genauso wie mit einigen Fachleuten - "Zwillinge" nennt Monheim sie. "Ich habe etwa 20 Zwillinge. Menschen, die konzeptionell ähnlich oder gleich denken, mit denen es ganz selten inhaltliche Differenzen gibt." Wie etwa mit seinem Bruder Rolf oder seinem kommissarischen Nachfolger Christian Muschwitz.
"Vielleicht zehnmal im Jahr" fahre er Auto. "Das ist ineffektiv und kostet mich zu viel Zeit und Geld", sagt Monheim. Die fehlende Effizienz, aber auch Klimawandel und Energiedebatte seien Zwänge zum Wandel. Der 65-Jährige lebt, was er propagiert, nutzt konsequent Bus, Bahn und Rad. Generationen von Geografiestudenten hat er auf dem Weg zum Campus auf dem Petrisberg locker-radelnd abgehängt.
"Radlversteher" steht auf der Schürze, die Monheim im Abschiedskolloquium vor mehr als 150 Studenten und Weggefährten trägt. "Menschenversteher" müsste es heißen. Denn er geht auf die Menschen zu, auf Studenten, Bürger, Politiker, Medienvertreter. Letztere seien wichtige Multiplikatoren, wenn man die Menschen erreichen wolle. Keiner seiner Professoren sei so oft in den Medien, bestätigt Unipräsident Michael Jäckel - etwas Neid ist da herauszuhören.
Öffentlich kritisiert Monheim den Börsengang der Bahn und deren Rückzug aus dem ländlichen Raum. Andere Strategien habe es in den 70ern gegeben, als neue Unis in kleineren Städten wie Trier entstanden. "Das war eine Erfolgsgeschichte in der Raumordnungspolitik!" Es sei Ironie des Schicksals, "dass ich an der Uni, an deren Geburtswehen ich beteiligt war, gearbeitet habe".
Nach Trier kam er 1995, als die Professur für Stadt- und Regionalplanung ausgeschrieben wurde. "Anfangs hatte ich die Hoffnung, dass meine Ideen hier Wirkung hinterlassen." So organisierte Monheim Exkursionen, leitete Ende der 1990er Jahre die Trierer Verkehrsrunde. Doch die Diskursqualität der hiesigen Kommunalpolitik sei nur mäßig ausgeprägt. Und so bleibe eine "gewisse Enttäuschung".
Monheims Engagement beschränkt sich nicht auf den Verkehr. Als Teil des "kleinen Geografentags" - Eltern, Bruder Rolf und Schwägerin - liegt ihm das Fach am Herzen. So arbeitete er mit, die räumliche Planung in der Geografie zu etablieren, kritisierte den Bologna-Prozess, förderte das interdisziplinäre Studium. "Ich hatte öfter Schwierigkeiten, weil ich Leute promovieren wollte, die keine Geografen sind. Diese Schubladisierung ist Mittelalter!" Der Professor überreichte erstmals in der Geografie in Trier öffentlich Diplomzeugnisse. Die Studenten ließen ihn auch dann nicht los, wenn sie die Uni verlassen hatten. Monheim rief die Ehemaligentreffen ins Leben, "eine Art Nachsorge". Zum 15. und letzten unter seiner Regie kamen 70 Studenten der ersten Stunde und solche, die noch in der Diplomarbeit stecken. "Diese Mischung hat sich bewährt. Das ist Quelle der Inspiration. So müsste es überall laufen."
An der Uni werde man ihn nicht mehr finden, sagt Monheim, der nun öfter bei seiner jetzigen Frau Tilde Marcour in Bonn ist, jedoch regelmäßig sein Trierer Institut Raumkom besucht. "Ich bin nicht weg, ich bleibe der Szene erhalten." Und er will seine Vision verwirklichen: die Verkehrswende und lebenswerte öffentliche Räume. "Ich weiß hundertprozentig: Es geht so nicht weiter! Es wird ein Punkt kommen, an dem alle Hebel umgelegt werden." mehiHeiner Monheim, geboren 1946 in Aachen, studierte Stadt- und Verkehrsplanung, Geografie und Soziologie in Bonn und München. Ab 1972 war er Referatsleiter Infrastruktur bei der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung Bonn (heute Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung). 1985 wechselte er ins nordrhein-westfälische Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr. 1995 erhielt er den Ruf als Professor für Raumentwicklung und Landesplanung an die Uni Trier. Monheim holte 2005 erstmals den (55.) Deutschen Geografentag nach Trier und organisierte im März 2011 den bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongress. Er ist Mitbegründer des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, des Verkehrsclubs Deutschland und Mitinhaber des Instituts Raumkom in Trier. mehi

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