Rat kriegt was auf die Ohren

Wittlich · Der Beschluss ist gefasst, jetzt kommt Protest: Zur Stadtratssitzung haben 25 Menschen gegen die Neuaufstellung der Jugendarbeit mit Blick auf das Haus der Jugend (HdJ) demonstriert. Es wurde klar: Es gibt Fehlinformationen.

 „Es ist nie zu spät“ lautet das Motto der Demonstranten. TV-Foto: Werner Pelm

„Es ist nie zu spät“ lautet das Motto der Demonstranten. TV-Foto: Werner Pelm

Wittlich. Ausgebuht wurde jeder, der am Donnerstagabend zur Sitzung des Stadtrates in die Synagoge kam. Dazu schrillten Trillerpfeifen: 25 Menschen vom Kind bis zum Erwachsenen standen auf dem Vorplatz, um gegen das bereits beschlossene Konzept der Jugendarbeit der Stadt zu demonstrieren (der TV berichtete mehrfach).
Auf Transparenten stand: "Finger weg vom HdJ", "Für gute Jugendarbeit. Gegen Klüngel." Außerdem wurden Fahnen "Die Linke" geschwenkt. Deren Ratsmitglied Ali Damar hielt ein Schild: "Wo sich Grausamkeit und Unterdrückung verbreitet, werden wir für euch da sein. Die Linke."
Der angeprangerte Beschluss ist bereits in der November-Sitzung gefasst worden: Es wird einen neuen Koordinator für Jugendarbeit (50 000 Euro im Jahr) geben. Zur Finanzierung der Vollzeitstelle wird im HdJ eine Teilzeitstelle eingespart. Damals gab es keinen Protest. Auf die Frage an einen der Demonstranten, warum man sich erst jetzt melde, sagte der Mann: "Man kann ja alles kippen. Das ist doch Demokratie. Jetzt sind wir ja hier." Seinen Namen wollte er nicht nennen: "Warum? Wir sind alle eins. Wir sind eine Masse."
Etwa die Hälfte der Demonstranten nutzte danach die Einwohnerfragestunde der Sitzung und kam in die Synagoge. Die erste Frage: "Warum wird das HdJ geschlossen?" Der Stadtrat, außer Ali Damar, der der Sitzung "bewusst" fern blieb, wie er später schriftlich mitteilen ließ, gab sich nach dieser Frage irritiert, manche lachten: Eine Schließung war nicht beschlossen worden.
Darauf verwies auch Bürgermeister Joachim Rodenkirch. Er bejahte, die neue volle Stelle, zu der 17 Bewerbungen eingegangen seien, sei nicht ausschließlich für die Arbeit im HdJ vorgesehen. Sie solle für die gesamte Jugendarbeit der Stadt sein. Zudem habe der Awo-Geschäftsführer (das HdJ steht in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt) das neue Konzept, ausdrücklich gut geheißen.
Er hatte damals auch gesagt, dem Inhaber der nun wegfallenden halben Stelle sei ein Angebot gemacht worden. Der betroffene Markus Kreil war unter den Protestierenden und rief: "Das stimmt nicht. Es hieß, ich könne mich bewerben. Das ist kein Angebot für eine Ersatzstelle." Eine HdJ-Besucherin sagte: "Wir erleben, einer ist weg, und dann kommt einer, den keiner kennt." Das schade der musikorientierten Jugendarbeit, die Kreil bislang mit 20 Stunden die Woche habe leisten können. In der Vollzeitstelle seien nur zehn Stunden für das HdJ vorgesehen.
Bürgermeister Joachim Rodenkirch sagte: "Ich hätte mir Ihre Teilnahme an der Diskussion gewünscht, als wir die öffentlichen Veranstaltungen hatten, zu denen x-mal eingeladen wurde. Das HdJ steht nicht zur Disposition." Er bat darum, offen zu sein für das Neue. Man habe seit 2010 versucht, mit vielen Beteiligten, darunter jungen wie älteren Menschen, ein Konzept zu entwickeln, das für die Gesamtstadt langfristig trage.
Dabei waren auch auf breiter Ebene Jugendliche befragt worden. Der Bürgermeister lobte auch den Einsatz der Jugendlichen für ihre kritische Haltung: "Zunächst ist es mutig, in einer öffentlichen Stadtratssitzung aufzutreten." Und: "Zur Demokratie gehört es auch zuzuhören und nicht nur zu pfeifen."Meinung

Mitmachen und informieren hilft
1551 junge Menschen wurden befragt. Es wurde beraten, diskutiert, entschieden. Nach dem Finale die Entscheider auszubuhen, ist einfach. Sich selbst breit zu informieren, statt Verschwörungsideen zu folgen, wäre besser, wenn man ernst genommen werden will. Andererseits ist offensichtlich nicht hinreichend gut kommuniziert worden, wenn bei den Jugendlichen nur angekommen ist, das HdJ sei in Gefahr. Demnach gab es aus Sicht der Betroffenen nicht genug Mitsprache-Möglichkeiten. Das sollte ernst genommen werden. Für den bisherigen Stelleninhaber ist die Entscheidung bitter. Sein Frust ist verständlich. s.suennen@volksfreund.de

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