Raus aus der Isolation

Morbach · Neuland für die Einheitsgemeinde Morbach: Mit einem einzigartigen Projekt sollen Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen besondere Angebote gemacht werden - zum Beispiel im Archäologiepark Belginum. Der Bund fördert das Vorhaben - Ziel ist es, die Lebensqualität zu verbessern.

 Wenn Gegenstände an ungewöhnlichen Orten auftauchen, wie zum Beispiel ein Schlüssel im Kühlschrank, kann das auf eine Demenzerkrankung hinweisen. Eine Initiative macht jetzt Angebote für Betroffene und Angehörige. Symbolfoto (1): dpa/TV-Fot0 (1): Hans-peter Linz

Wenn Gegenstände an ungewöhnlichen Orten auftauchen, wie zum Beispiel ein Schlüssel im Kühlschrank, kann das auf eine Demenzerkrankung hinweisen. Eine Initiative macht jetzt Angebote für Betroffene und Angehörige. Symbolfoto (1): dpa/TV-Fot0 (1): Hans-peter Linz

Foto: (m_huns )

Morbach. Wenn ein Familienmitglied an Demenz erkrankt, dann bedeutet das häufig für den Betroffenen wie auch für die Verwandten einen Rückzug aus dem Leben, in die Isolation. Oftmals trauen sich die Menschen nicht mehr, am Leben in der Gemeinde teilzunehmen. Das muss aber nicht so sein, besonders bei Menschen mit beginnender Demenz. Die Einheitsgemeinde Morbach beteiligt sich deshalb an einem Projekt, das das Bundesfamilienministerium initiiert hat.
Das Ministerium unterstützt 500 lokale Allianzen für Menschen mit Demenz, die bundesweit entstehen. Eine davon ist die Morbacher Initiative, die dafür 10 000 Euro Fördergeld erhalten hat. Dr. Diana Sauer vom Archäologiepark Belginum erläutert das Projekt, das gemeinsam mit der Gemeindeverwaltung entstanden ist: "Mit dem Motto ,Eine schöne Zeit' wollen wir Demenzerkrankte und deren Angehörige ansprechen, die Interesse an Kultur haben. Wir wollen Barrieren abbauen und den kranken Menschen so lange wie möglich eine schöne Zeit bieten."
Dazu biete sich das Thema Archäologie an, so Sauer. Denn einer der Schwerpunkte des Belginums sei auch der typische Alltag der keltischen Zeit. Die Auseinandersetzung über Dinge des täglichen Gebrauchs, zum Beispiel mit keltischem Schmuck oder Essgeschirr, sei mit Demenzkranken leicht zu bewerkstelligen, da das Langzeitgedächtnis noch lange aktiv bleibe, die Menschen also diese Dinge noch gut wiedererkennen könnten.
"Viele Angehörige sind durch die Pflege ihrer Verwandten ausgelaugt, sie trauen sich nicht, sich mit ihnen sehen zu lassen. Für diese Menschen bieten wir Führungen und Themenabende an", sagt Sauer.
Den Auftakt von in diesem Jahr fünf geplanten Veranstaltungen macht ein Vortrag im Altenheim St. Anna am 23. März zum Thema "Pflegebedürftig, was nun?" Ein erster Höhepunkt wird dann der Internationale Museumstag am 21. Mai, an dem es spezielle Führungen für Demenzkranke und ihre Angehörigen zur Ausstellung "Pracht und Herrlichkeit - Bewaffnung und Bekleidung keltischer Männer im Hunsrück" im Belginum gibt. Anschließend werden Kaffee und Kuchen angeboten.
"Es ist wichtig, dass Angehörige und Kranke gemeinsam Zeit verbringen können und diese auch positiv erleben", erklärt Sauer. Um über das gesamte Angebot zu informieren, wurden 1000 Flyer gedruckt, die im Rathaus und an verschiedenen weiteren Einrichtungen ausliegen.
Für Morbachs Bürgermeister Andreas Hackethal ist das ein Gewinn - vor allem in Hinblick auf den demografischen Wandel: "Das Thema Demenz wird zunehmend bedeutsamer. Wir wollen mit der lokalen Allianz Strukturen schaffen, um Antworten auf diese Aufgaben zu finden. Das ist jetzt noch Neuland und wir sind gespannt, wie das Angebot angenommen wird. Die Nachfrage ist da." Langfristig soll durch das Vorhaben der Archäologiepark Belginum als Begegnungsstätte etabliert werden. Das Angebot richte sich demnach nicht nur an die Morbacher, betont Sauer. In der zweijährigen Förderperiode werde es vier bis fünf Veranstaltungen pro Jahr geben. Die Initiative arbeitet mit der Kreisverwaltung, der Awo, der Ambulanten Assistenz, dem Pflegestützpunkt Morbach/Thalfang, dem Marienhaus und dem Archäologiepark Belginum zusammen.Meinung

Gute Initiative
Oft sind die Angehörigen damit überfordert, wenn bei einem Familienmitglied eine beginnende Demenz-Erkrankung festgestellt wird. Das ist völlig verständlich, denn diese neue Situation verändert das Zusammenleben in der Familie. Und es ist auch leider absehbar, dass die Krankheit nicht besser wird, sondern sich verschlimmert. Gerade deshalb ist es sinnvoll, den Betroffenen jeden Tag, den sie noch in der Anfangsphase haben - und an dem sie sich noch an Dinge erinnern können -, möglichst angenehm zu gestalten. Aber manche Menschen empfinden Scham oder sind unsicher, sich mit ihren beeinträchtigten Angehörigen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die Lokale Allianz hilft mit, diese Ängste zu überwinden. Mit ihren maßgeschneiderten Angeboten schafft sie eine Atmosphäre, in der Erkrankte und Nicht-Erkrankte gemeinsam schöne Zeiten miteinander verbringen können. Der Zusatzeffekt: Auch für die Bildung wird etwas getan, denn das Leben der Kelten ist ein wichtiger Bestandteil der Kulturgeschichte des Hunsrücks und wird im Archäologiepark Belginum erforscht und präsentiert. Das Angebot verbessert die Attraktivität des ländlichen Raums: Menschen müssen keine Angst mehr haben, auf dem Land alt zu werden. hp.linz@volksfreund.deExtra

1,5 Millionen Menschen sind heute in Deutschland an Demenz erkrankt, einer Krankheit, bei der nach und nach das Gedächtnis verlöscht. Bis zum Jahr 2050 wird mit drei Millionen Erkrankten gerechnet. Die lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz sollen im direkten Lebensumfeld der Betroffenen dafür sorgen, dass die Menschen und ihre Angehörigen nicht ausgegrenzt werden. hplExtra

23. März: Vortrag Pflegestützpunkt Morbach/Thalfang (Altenheim St. Anna, Morbach): "Pflegebedürftig, was nun?"; 21. Mai: Internationaler Museumstag: Führung für Demenzkranke und ihre Angehörigen zur Ausstellung "Pracht und Herrlichkeit - Bewaffnung und Bekleidung keltischer Männer im Hunsrück"; 27. Juni: Tagesausflug für Demenzkranke nach Mainz in die Ausstellung "Archäologische Schätze an Rhein und Mosel"; 10. September: Tag des Offenen Denkmals: 15 Jahre Belginum 3. November: Vortrag Margret Brech über Demenz, Informationen zum Krankheitsbild im Altenheim St. Anna. hpl

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