Reise ins Reich der Phantasie

WITTLICH. Eine klassische Gitarre und eine sonore Stimme in trauter Harmonie: Das leicht abgeänderte Programm des Lesekonzerts von Barbara Hennefeind und Elmar Gunsch in der Wittlicher Synagoge regte zum Überprüfen eingefahrener Denkmuster an.

Mit einem ähnlichen Programm treten sie im gesamten deutschsprachigen Raum auf. Dass Barbara Hennefeind und Elmar Gunsch mit ihrer leicht abgewandelten "Reise ins Reich der Phantasie" auch nach Wittlich kamen, verdankt die Region der Freundschaft zwischen Gunsch und Yaghoub Khoschlessan, dem Vorsitzenden des 1999 gegründeten Bündnisses für Menschlichkeit und Zivilcourage. Er organisierte das Benefiz-Konzert in der Wittlicher Synagoge. Hennefeind und der bekannte Rezitator sorgten dafür, dass ein breites Spektrum an Völkern, Nationen und Religionen darin vorkamen."Nennen wir es Jiddeln"

Russen und Chinesen, Juden und Araber, Liebende und "der" Ausländer an sich begegneten sich und den lauschenden Gästen, stets begleitet von einer von Barbara Hennefeind einfühlsam gespielten Gitarre. Virtuos beherrschte sie alle Varianten ihres Instruments, dem sie selbst jiddisch anmutende Töne entlockte, die man eher im Zusammenspiel von Klarinette und Akkordeon erwarten würde. Auch Elmar Gunsch verblüffte: Jiddische Textpassagen kamen dem geborenen Österreicher derart leicht über die Lippen, als habe er sein Lebtag nichts anderes gesprochen. "Jiddisch ist das dennoch nicht", verriet er hinter der Bühne. "Nennen wir es Jiddeln, und es liegt sehr nah am Österreichischen." Text- und Musikauswahl des Lesekonzerts entstammten dem ganzen Erdball und berührten all jene Themen, die den Menschen über das Herz und nicht über den Kopf ansprechen. Das war auch das erklärte Ziel dieser Veranstaltung im Namen der Menschlichkeit. Khalil Gibrans Gedanken etwa zu den Kindern, die niemals der Besitz ihrer Eltern sind, Heinrich Heines Mann vom Stamme der "Asra", die sterben, wenn sie lieben, oder jüdische Märchen mit der Portion Selbstironie, die auch in harten Zeiten das Überleben ermöglicht. In diese Anekdoten wurde ein nachdenklicher Text von Gunschs Freund Khoschlessan, inzwischen Arzt im Ruhestand, eingestreut. Selbst für den Autor war dies eine Überraschung. Und noch ein Autor war in der Synagoge anwesend: Massoud Atai, wie Khoschlessan dem persischen Kulturkreis entstammend, ist der Dichter einer an vielen Stellen zum Lachen anmutenden und dennoch von tiefer Wahrheit geprägten Geschichte. Sie handelt von zwei Verstorbenen, die sich auf dem Friedhof in der Erde liegend weiterstreiten, welche Kultur wohl die bessere und "richtigere" sei. "Sie waren ein sehr aufmerksames Publikum", bedankte sich Gunsch bei den Zuhörern. Er sei der Einzige gewesen, der gehustet habe: Mehr als tosender Applaus sei es ihm wert, solch stille, lauschende Zuhörer gehabt zu haben.

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