Retter sorgen sich um den Nachwuchs

Wittlich · Sie helfen Menschen in Not, doch immer häufiger stoßen sie selbst an ihre Grenzen: Das Deutsche Rote Kreuz Bernkastel-Wittlich hat Nachwuchsprobleme. Immer weniger Menschen, vor allem junge Leute, engagieren sich ehrenamtlich bei der Hilfsorganisation.

Wittlich. Ein Verkehrsunfall auf der Landstraße, Menschen sind verletzt und brauchen Hilfe - eine typische Situation, in der Einsatzkräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zur Stelle sind. Als Allererste beim Patienten sind in der Regel die First Responder (englisch für Erstversorger). Sie werden informiert, um bei Notfällen die Zeit bis zum Eintreffen des Notarztes zu überbrücken. Alexander Becht, DRK-Vorsitzender und Gesamteinsatzleiter in Wittlich, sagt: "Bei jedem dritten Einsatz wird ein Leben gerettet."
Doch der Blick in die Zukunft des DRK-Kreisverbands ist getrübt: Die Hilfsorganisation leidet, wie viele andere Vereine auch, unter der demografischen Entwicklung. Der Großteil der Einsatzkräfte beim DRK arbeitet ehrenamtlich. "Das bedeutet ein wahnsinnig großes Opfer an Freizeit", sagt Becht. "Im Grunde ist das ja fast wie ein Hauptberuf, nur dass man kein Geld dafür bekommt."
Anforderungen steigen stets


Mehr als 5950 Stunden Arbeit hat allein der Ortsverein Wittlich im Jahr 2012 geleistet. "Die Anforderungen werden immer mehr, die Veranstaltungen, bei denen wir im Einsatz sind, immer größer", erklärt Becht. Momentan sei die Arbeit noch zu stemmen. "Aber wir sind an der Leistungsgrenze", sagt er. "Und wir haben verdammt wenig Mitglieder." Pro Jahr gebe es zwar ein bis drei Neuzugänge pro Ortsverein, aber gleichzeitig auch viele Austritte. "Die Arbeit ist anstrengend und zeitintensiv. Da kommt mal das Privatleben und die Familie dazwischen, was von uns ja auch respektiert wird", sagt Becht. Auch der Job werde heute immer öfter zum Austrittsgrund: "Viele Arbeitgeber wünschen das eben nicht mehr."
Hatte das DRK vor 20 Jahren laut Becht kreisweit etwa 320 bis 380 ehrenamtliche aktive Helfer, so sind es heute nur noch 180. Davon sind 40 haupt- und ehrenamtlich tätig. Im Ortsverein Wittlich sind derzeit 62 ehrenamtliche Kräfte im Einsatz, davon zehn auch hauptamtlich. "Schon für das Jugendrotkreuz suchen wir verzweifelt Nachwuchs. Und von zehn Jugendlichen bleiben am Ende vielleicht zwei dabei", erklärt Becht. "Erwachsene im Alter zwischen 18 und 25 Jahren haben wir praktisch gar keine mehr." Doch das breite Aufgabenspektrum sei zukünftig nur zu leisten, "wenn wir geeigneten Nachwuchs finden", erklärt Becht.
Viel Arbeit, aber auch viel Spaß


Der 28-jährige Bastian Egger aus Wittlich ist einer, der beim DRK geblieben ist. Heute ist er Bereitschaftsleiter. Sein Engagement ist ihm wichtig - auch wenn es sein kann, dass er abends mit seinen Freunden in der Kneipe sitzt und dann zu einem Notfall gerufen wird. "Es ist viel Arbeit, aber es macht mir auch Spaß", sagt er. "Und im Ortsverein ist das ja auch ein Stück Gemeinschaft, das man erfährt." Egger, der in Trier auf Lehramt studiert, sieht die Probleme aber auch: "Wir müssen die jungen Leute irgendwie bei der Stange halten." Keine leichte Mission, denn: "Die Gruppe Jugendlicher im Jugendrotkreuz ist ja schon von Anfang an viel kleiner als die im Fußballverein."
Die zweite Sorge nach dem Personal sei das Geld, sagt Becht. Das DRK finanziert sich aus dem Entgelt von Veranstaltungen und Einsätzen sowie aus einem kleinen Beitrag an Mitgliedergeldern - "mit abnehmender Tendenz", so Becht. "Knapp 1000 Euro im Jahr gehen allein schon für die Kleidung einer Einsatzkraft drauf", sagt er. "Und die Kosten für die Ausbildung unserer Leute lassen sich auf Anhieb gar nicht beziffern." Dennoch sei das Geld, so Becht, erst mal gar nicht so wichtig: "Was soll ich mit einem nagelneuen Einsatzwagen, wenn ich niemanden habe, der das Ding fährt?" Es gebe "hochengagierte Leute" beim DRK, die sich richtig "ins Zeug legen". Becht wünscht sich nur, es wären ein paar mehr.Meinung

Mehr Unterstützung
Im Ernstfall sind sie da, die ehrenamtlichen Helfer, seien sie vom Roten Kreuz, von der Feuerwehr oder anderen Organisationen, und versorgen unsere Verletzten, richten für uns Notunterkünfte ein und kümmern sich um besondere Unglückslagen, damit wir wieder ruhig schlafen können. Der Bürger verlässt sich darauf. Aber wie viel Prozent der Bevölkerung sind wirklich bei Hilfsorganisationen aktiv? Die Motivation ist nun mal häufig die, dass es im Ort oder in der Familie gute alte Tradition ist. Aber wir wissen alle, dass die Zeiten sich ändern, die Jungen immer weniger werden, der Kinobesuch schlicht mal wichtiger ist als das Helfen - und die Nachwuchssorgen werden zwangsläufig immer größer. Wenn eine Einrichtung wie das Rote Kreuz also weiter gute Arbeit leisten will, wird sie das kaum ohne Unterstützung schaffen. Zum Beispiel vom Gesetzgeber. Der verlangt einen hohen Ausbildungsgrad, den die Ehrenamtlichen aber ebenfalls komplett in ihrer Freizeit leisten müssen. Eine teilweise Freistellung von der Arbeit für das Ehrenamt, ähnlich wie bei der Freiwilligen Feuerwehr - das ist vielleicht ein Punkt, an dem sich ansetzen lässt, um das Engagement bei Hilfsorganisationen attraktiver zu gestalten. Nicht zuletzt durch den Wegfall der Wehrpflicht hat sich das Problem verschärft. Da müssen auch die Hilfsorganisationen selbst reagieren und offensiver um Freiwillige werben. e.blaedel@volksfreund.deExtra

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Kreisverband Bernkastel-Wittlich ist auf jede mögliche Notsituation vorbereitet. Die Hilfsorganisation ist tätig im Sanitätsdienst, hat sogenannte First Responder, also Ersthelfer, und eine Rettungshundestaffel. Zudem leistet sie Unterstützung im Rettungsdienst. Der Katastrophenschutz ist ebenfalls eine der Hauptaufgaben der Ortsvereine. Außerdem werden pro Ortsverein bis zu zehn Blutspendeaktionen im Jahr organisiert. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene finden beim Jugendrotkreuz eine Vielzahl an Angeboten und Aktivitäten. Der DRK-Kreisverband Bernkastel-Wittlich besteht aus folgenden Ortsverbänden: Wittlich, Bernkastel-Kues, Dierscheid, Manderscheid, Morbach, Neumagen-Dhron, Heckenland-Niersbach, Thalfang und Traben-Trarbach mit Enkirch. eib Wer sich engagieren will, findet im Internet unter www.kv-bks-wil.drk.de oder unter www.drk-wittlich.de weitere Infos oder kann sich per Mail an info@drk-wittlich.de oder unter Telefon 06571/697771 an das DRK wenden.

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