Schaeffler produziert ohne Lösungsmittel

Morbach · Das Morbacher Unternehmen Schaeffler äußert sich erstmals öffentlich zu Konsequenzen aus dem Toluolunglück im August 2014. Künftig findet keine Produktion von Kupplungsbelägen mit Hilfe von Lösungsmitteln mehr statt. Die entsprechenden Anlagen werden verschrottet.

 Werkleiter Lars Haufschild vor einer stillgelegten Anlage, in der Garne mit Hilfe des Lösungsmittels verarbeitet wurden. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Werkleiter Lars Haufschild vor einer stillgelegten Anlage, in der Garne mit Hilfe des Lösungsmittels verarbeitet wurden. TV-Foto: Christoph Strouvelle

Foto: Christoph Strouvelle (cst) ("TV-Upload Strouvelle"

Morbach. In der Werkshalle des Morbacher Automobilzulieferers Schaeffler herrscht rege Geschäftigkeit. Überall erfüllen Maschinen den Raum mit ihren monotonen Geräuschen, fahren Arbeiter auf Gabelstaplern die fertiggestellten Kupplungsbeläge zur Versandabteilung, wo sie in andere Werke des Unternehmens oder zu den Automobilherstellern ausgeliefert werden.
Doch auf einer 200 Quadratmeter großen Fläche des Werks, die durch den an dieser Stelle höheren Aufbau der Fabrikhalle gut von außen zu lokalisieren ist, liegt im Gegensatz dazu eine merkwürdige Stille. "Die Maschinen stehen unverändert so seit dem vergangenen August", sagt Lars Haufschild, Werkleiter bei Schaeffler in Morbach.
Damals hatte ein Austritt größerer Mengen des Lösungsmittels Toluol aus der Anlage in die Kanalisation für einen Tag das öffentliche Leben in Morbach nahezu lahmgelegt. Haufschild zeigt die Garne, die sich seit August 2014 von einer Maschine zur anderen unverändert durch den Raum spannen, damit sie mit Hilfe von Toluol weiterverarbeitet und dann auf Rollen aufgespult werden. Doch dies wird nicht mehr passieren. Zwar hat die Staatsanwaltschaft die Produktionsanlagen noch nicht freigegeben, da die Ermittlungen achteinhalb Monate nach dem Ereignis immer noch nicht abgeschlossen sind. Doch sobald das erfolgt ist, werden die betroffenen Maschinen abgebaut und verschrottet, sagt Haufschild.
Die Fläche wird dann für andere Anlagen genutzt. Haufschild und Unternehmenssprecher Matthias Mederacke wollen sich wegen der laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach wie vor nicht zur Ursache der Havarie äußern. "Aber wir wollen nichts vertuschen, im Gegenteil", sagt Haufschild. Deshalb geben sie neben Auskünften über die Konsequenzen, die Schaeffler aus dem Unglück zieht, einen Ausblick in die Zukunft des Standorts.
"Die stillgelegte Anlage ist die letzte in Morbach gewesen, in der wir Lösungsmittel zur Produktion benötigt hatten", sagt Haufschild. "Damit ist ein erneutes Unglück in dieser Art ausgeschlossen." Im Zweigwerk in China werde zwar noch mit Toluol gearbeitet, aber auch dort soll diese Art der Fertigung eingestellt werden, sagt Produktlinienleiter Jochen Klee.
Seit 2007 habe Schaeffler die Herstellung der Kupplungsbeläge nach und nach auf andere Produktionsverfahren umgestellt. Zu 95 Prozent seien die Beläge und Granulate bereits vor dem Unglück lösungsmittelfrei hergestellt worden, sagt er. 2015 hätte diese Art der Fertigung auslaufen sollen.
Zudem widerspricht Haufschild Gerüchten, dass die Zukunft des Morbacher Werks gefährdet sei. Im Gegenteil: "Wir haben im vergangenen Jahr 8 Millionen Euro in das Werk investiert, 40 Prozent davon in Umwelttechnologie und Absaugung", sagt er. Sicherheit genieße die oberste Priorität, sagt er. Zudem sei Morbach das Zentrum der Herstellung von Kupplungsbelägen im Schaefflerkonzern. Seit der Übernahme des Morbacher Werks 2008 sei die Zahl der ausgelieferten Kupplungsbeläge von zehn auf 27 Millionen Stück gestiegen, sagt Klee.
Ausschließlich dort werde zudem das Granulat hergestellt, das in die anderen Werke des Unternehmens in Hamm/Westerwald, China, Brasilien und Südafrika geliefert und dort weiterverarbeitet wird. Im Hunsrück sei auch das System der Doppelkupplung entwickelt worden, das Automobilverkäufern ihren Kunden als "eine Art Automatik" anbieten. Schaeffler will die Entwicklung vom ursprünglich reinen Belagfabrikanten zum Systemhersteller fortsetzen. Klee: "Morbach ist eine Erfolgsstory. Wir investieren nach wie vor in diesen Standort."

Extra

Im August 2014 hatte ein toter Vogel beim Morbacher Unternehmen Schaeffler ein Lüftungsrohr einer Anlage verstopft, in der das für die Produktion benötigte Lösungsmittel Toluol vom Wasser wieder getrennt wird. Infolgedessen war eine bisher unbekannte Menge des Lösungsmittels in die Kanalisation gelangt. Mehrere Morbacher Lebensmittelmärkte und Straßenzüge waren evakuiert, sechs Personen zur Beobachtung ins Krankenhaus eingewiesen worden. 250 Hilfskräfte von Polizei, Feuerwehr und Sanitätsdiensten waren im Einsatz gewesen (der TV berichtete). cst

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