Schafzüchter will EU-Verordnung aushebeln

Birkenfeld · Ein Schafhalter aus dem Hunsrück will erreichen, dass seine Tiere nicht mit elektronisch auslesbaren Ohrmarken versehen werden müssen. Der Europäische Gerichtshof muss sich nun mit dem Fall beschäftigen.

 Aufgrund einer Verordnung sind die bisherigen Ohrmarken für Schafe nicht mehr erlaubt. Dagegen wenden sich Schafbesitzer. Foto: TV-Archiv/Ilse Rosenschild

Aufgrund einer Verordnung sind die bisherigen Ohrmarken für Schafe nicht mehr erlaubt. Dagegen wenden sich Schafbesitzer. Foto: TV-Archiv/Ilse Rosenschild

Birkenfeld. Kann ein Schäfer aus Schmidthachenbach eine europaweit gültige Vorschrift kippen, weil sie zu viel Bürokratie enthält und deshalb mit den Grundrechten unvereinbar ist? Robert Gellweiler und drei seiner Kollegen aus Baden-Württemberg und dem Saarland klagen gegen eine EU-Verordnung zur Tierkennzeichnung, die seit 2010 auch für Deutschland gültig ist. Mit Erfolg - jetzt muss sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) damit befassen.
Lesegerät kostet 1000 Euro


Die EU schreibt vor, dass Schafe und Ziegen mit elektronischen Ohr marken gekennzeichnet werden müssen. Dadurch soll besser nachvollzogen werden, woher die Tiere stammen. Zudem will man so Seuchen effektiver vorbeugen.
Hiergegen haben Gellweiler und Co. geklagt. Unterstützt werden sie von der VDL (Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände). Mit dem Musterverfahren soll eine Rückkehr zum bewährten Modell der Bestandskennzeichnung erreicht werden. Die Schäfer sagen, die Einzeltierkennzeichnung sei zur Verhinderung von Seuchen weniger geeignet als die bisherige Bestandskennzeichnung. "Auf den traditionellen Ohrmarken konnte man auf einen Blick sehen, woher die Tiere stammen", betont Gellweiler. "Die neuen Chips enthalten lediglich einen willkürlich zusammengestellten Zifferncode." Paradox sei zudem, dass die neuen Ohrmarkentransponder Pflicht seien, "eine Vorschrift, sich auch das dazugehörige, noch einmal etwa 1000 Euro teure Lesegerät anzuschaffen, gibt es aber nicht", sagt Gellweiler.
Ähnlich argumentiert die Rechts anwaltsgemeinschaft Redeker Sellner Dahs aus Bonn, die nun einen ersten Erfolg errungen hat. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat, wie von Klägerseite angeregt, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die betreffende EU-Verordnung mit den Grundrechten vereinbar ist. Die Rechtsanwälte betonten, das Ziel, Tierbewegungen zurückzuverfolgen und Tierseuchen effektiver bekämpfen zu können, werde nach Ansicht von Experten durch die Verordnung nicht erreicht. Die Anwälte beziehen sich auf den Bundesrat, wonach es sich bei der Regelung um eine "Bürokratiemaßnahme ohne jeden tierseuchenfachlichen Nutzen" handele.
"Wir Schäfer freuen uns sehr über diesen ersten großen Erfolg", kommentierte Günther Czerkus aus der Eifel, Sprecher des Berufsschäferausschusses, die Entscheidung.
Ausgerechnet an einem der wirtschaftlich schwächsten Zweige der Landwirtschaft, den Schafen und Ziegen, solle die teuerste und aufwendigste Tierkennzeichnung ausprobiert werden - und das ohne erkennbaren Nutzen. Das könne nicht rechtens sein. Der VDL werde nun die Erfahrungsberichte aus ganz Europa sammeln und dem Europäischen Gerichtshof zur Verfügung stellen.
Der Europäische Gerichtshof muss nun entscheiden, ob die Verordnung VO 21/2004 mit der Berufsfreiheit vereinbar ist, wie sie in der europäischen Grundrechte-Charta garantiert ist. Wenn der Gerichtshof zugunsten der Schaf- und Ziegenhalter entscheidet, handelt es sich um die erste Entscheidung, mit der eine EU-Verordnung für unvereinbar mit Grundrechten erklärt wird, weil sie zu einer Überbürokratisierung führt. Die Vorlage ist daher auch für andere Wirtschaftsbereiche von grundsätzlicher Bedeutung. Mit einer Entscheidung ist allerdings voraussichtlich erst in etwa 18 Monaten zu rechnen.

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