Schande und Ehrbarkeit

Bedrückend sind die Episoden aus dem Leben einer Hunsrücker "Armsünderin". Die hatte der Monzelfelder Autor und Hobbyregisseur Stefan Kritten für seine Lesung in Gonzerath ausgewählt. Danach tauschten die Zuhörer vor allem liebenswerte Histörchen aus, an die sie das Gehörte erinnert hatte.

 Stefan Kritten (Mitte) hat die Texte gut gewählt und die Zuhörer damit angesprochen. TV-Foto: Ursula Schmieder

Stefan Kritten (Mitte) hat die Texte gut gewählt und die Zuhörer damit angesprochen. TV-Foto: Ursula Schmieder

Gonzerath. (urs) Hundert Jahre sind eine enorme Zeitspanne. Welche gravierenden Veränderungen sie mit sich bringen, macht kaum etwas deutlicher als die Literatur der jeweiligen Epoche. Für seine Lesung in Gonzerath hat Stefan Kritten das 1909 erschienene Buch "Armsünderin" von Nanny Lambrecht gewählt. Es erlaubt einen Einblick in das Leben der Menschen im Hunsrück vor rund hundert Jahren. Die Worte "ehrbar" und "unehrlich" ziehen sich dabei wie ein roter Faden durch die Geschichte von Jule, der Kesselflicker-Tochter, die sich noch so sehr plagen und in der Kirche das Armesünderbänkchen drücken kann: Sie muss zeitlebens darunter leiden, dass sie das uneheliche Kind eines "ehrbaren" Nicht-Kesselflickers zur Welt bringt. Willi Gorges, Vorsitzender des Heimatvereins, der den künftigen Gonzera-ther Chronisten für die Lesung gewonnen hat, erinnert sich an Geschehnisse, die er als junger Mann selbst erlebt hat. "Diese Gasthausszenen - die waren hier genauso", berichtet er. Da seien dann schon mal die Männer "vom Judenbungert" reingekommen und hätten "die Messer gezückt". Gertrud Gorges hat noch heute die Bilder vor Augen, wenn die Männer sich auf den Weg Richtung Mosel machten: "Dann haben die ihre Hunde vor die Karren gespannt und die Besen drauf gepackt." Heute sind die gegenseitigen Vorbehalte längst ausgeräumt. Die Barrieren zwischen Bauern und Besitzlosen seien zum Glück gefallen, wie Hertha Pölcher begrüßt. Doch auch sie erinnert sich noch gut daran, dass sich die Gonzerather Kinder der beiden Lager nach der Schule mit Steinen bewarfen. Der eigentliche Auslöser sei aber die Armut gewesen.

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