Schatten auf der heilen Welt

Die Drogenszene in der Stadt Bernkastel-Kues besteht aus 50 bis 100 Personen aller Schichten. In ihr steigt die Zahl der jungen Mädchen. Und auch die Aggression nimmt in dieser Szene zu.

Bernkastel-Kues. Zwischen 2004 und 2007 wurden bei der Polizei in Bernkastel-Kues pro Jahr zwischen 81 und 94 Delikte im Zusammenhang mit Drogen aktenkundig. Die Zahl der betroffenen Personen unter 21 Jahre belief sich 2004 auf 42, in den Folgejahren lag sie zwischen 25 und 28. Diese Fakten lieferten Peter Kranz, Jugendsachbearbeiter bei der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues, und Lothar Marmann, Polizist und Stadtratsmitglied, am Donnerstag. "Es gibt ein Drogenklientel, aber die Lage ist nicht dramatisch", sagte Marmann.Die beiden Experten sowie Oliver Emmer, Richter am Amtsgericht in Bernkastel-Kues, erläuterten im Stadtrat ihre Erfahrungen. Einen aktuellen Anlass gebe es nicht, betonte Stadtbürgermeister Wolfgang Port. "Aber es ist gut zu wissen, wie die Situation ist", sagte er. Emmer, seit acht Jahren beim Amtsgericht, kommt häufig mit Jugendlichen in Kontakt. Unter anderem unterrichtet er an Schulen Rechtskunde und lädt Schulklassen zu Gerichtsverhandlungen ein. Er initiierte eine Umfrage unter Schülern zwischen 14 und 17 Jahren. Dabei ging es unter anderem um das Thema Drogen. 224 Fragebogen kamen zurück. Danach verfügen 38 Personen (17 Prozent) über Drogen-Erfahrung. "Für eine kleine Stadt ist das nicht unbeachtlich", sagte Emmer. Die Umfrage sei aber nicht repräsentativ, betonte er. Das Gros (32) hatte Erfahrungen mit Haschisch und/oder Marihuana, nur einer berichtete über harte Drogen (Heroin/Kokain). Aus einem Gespräch mit einem 17-Jährigen habe er erfahren, dass Drogen überall ein Thema seien, wo viele Jugendliche sind: zum Beispiel beim Skaten und bei Hüttenpartys. Und es sei auch nicht schwer, an Drogen heranzukommen.Einen signifikanten Anstieg der Delikte sieht Enner aber nicht. Allerdings steige die Zahl der jungen Mädchen, die über Drogen-Erfahrung verfügen. Und es gebe in der Szene auch eine Zunahme von Gewalt. Die Aggression werde oft nicht mit Fäusten ausgetragen, sondern unter anderem mit Zaunlatten, Flaschen und Gläsern, was schwere Verletzungen mit sich bringen könne. Emmer schätzt die Zahl der Personen, die in der Stadt der Szene angehört, auf 50 bis 100. Und was kann die Stadt tun? "Sie braucht einen Jugendraum. Das wäre eine Anlaufstelle", sagte Peter Kranz. Meinung Gute Gründe für Haus der Jugend Zur falschen Zeit am falschen Ort: Schon ein Kurzaufenthalt in der falschen Gesellschaft kann der Anfang einer Drogenkarriere sein. Das gilt allerdings auch für Nikotin und Alkohol. Im Stadtbild fällt die Szene nicht auf. Und die Bürger leben hier auch noch auf einer Insel der Seligen. Wer problematische Wohnsiedlungen sucht, in denen Frust und Langeweile zu Hause sind, der wird sie nicht finden. Auch der immer gern als Argument und Anklage herangezogene Hinweis auf einen hohen Ausländeranteil greift hier nicht. Klienten sind, wie Richter Oliver Emmer es ausdrückt, in erster Linie hundsgewöhnliche Deutsche aller Schichten. Die Hände in den zu Schoß legen, wäre aber sicher der falsche Weg. Am Donnerstag kam wieder die Forderung nach einem Haus der Jugend auf. Ein Allheilmittel wäre dies sicher nicht. Aber es wäre ein Anfang. c.beckmann@volksfreund.de

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