Schießsportanlage in Landscheid: So schnell schießen die Wittlicher nicht

Landscheid/Wittlich · Die in Landscheid geplante Schießsportanlage Target World steht weiter in der Diskussion. Der Mediziner Eberhard Greiser, der die Gesundheitsgefahren durch Lärmemissionen untersucht, kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: Das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung im Umkreis könne um bis zu 57 Prozent steigen.

Eine für Deutschland bisher einzigartige Schießsportanlage plant der Industrielle Michel Ostendorf in Landscheid. Die Betreibergesellschaft "Target World" ist bereits gegründet, die Planung durch ein Ingenieurbüro steht.

Target World soll die 40 Jahre alte Anlage des Wurftaubenclubs (WTC) Landscheid ersetzen. Die hat einen so hohen Sanierungsbedarf, dass der Club die Hilfe eines Investors benötigt - und den fand er mit Ostendorf. Durch den Aus- und Umbau wäre die heutige WTC-Anlage nicht wiederzuerkennen. Geplant sind elf Feld- und Waldparcours, zwei Anlagen für Skeet und Trap mit olympischen Gräben, verschiedene Kugelschießstände, Tageslichtschießkino, Pistolen- und Revolverstand, Tagungszentrum, Outdoorstore, Büchsenmacherei mit Service und Verkauf sowie Gastronomie.

Versprochen wird für die neue Anlage ein "wegweisender Umwelt- und Sicherheitsstandard", ein Entsorgungskonzept mit Pilotcharakter. "Vorreiter für höchste ökologische Standards" laute der Selbstauftrag.

Wie berichtet sind die Meinungen darüber gespalten: Nicht nur die Mehrheit im Landscheider Rat erhofft sich von Target World einen wirtschaftlichen Impuls für den Ort - etwa neue Arbeitsplätze, Vorteile für die heimische Gastronomie und das Handwerk sowie für Landscheid einen deutschlandweit steigenden Bekanntheitsgrad.

Ein klares "Nein" zu zusätzlichem Schießlärm sagt die Gegenseite. Für die durch US-Airbase Spangdahlem und A 60 ohnehin schon lärmgeplagte Bevölkerung bringe die geplante Großschießanlage das Fass zum Überlaufen. Ende 2014 reichte eine Initiative eine Petition mit rund 5000 Unterschriften bei der Verbandsgemeindeverwaltung Wittlich-Land zur Prüfung ein. Auch einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht haben die Gegner eingeschaltet. Der droht für den Fall eines Bebauungsplans mit einem Normenkontrollverfahren.

Derweil scheint das Verfahren auf der Stelle zu treten. Der Epidemiologe Professor Dr. Eberhard Greiser, der die Gesundheitsgefahren durch Lärmemissionen untersucht, geht in einem Kurzgutachten von einer erheblichen Belastung der Bevölkerung aus. Greiser spricht von einer Steigerung des Gesundheitsrisikos von bis zu 57 Prozent (siehe Interview unten). Dies ergebe sich aus der Addition der höheren Lärmemission von Target World mit den schon vorhandenen Lärmquellen A?60 und Flugplatz Spangdahlem (siehe Interview unten). Das Gutachten liegt der Verwaltung seit geraumer Zeit vor. Nach eigenen Angaben wartet der Experte mit Wohnsitz in Musweiler seither vergebens auf eine Reaktion aus Wittlich.

Die Verwaltung weist den Vorwurf zurück. "Wie ich nach Rücksprache mit der Fachabteilung erfahren habe, hat Herr Dr. Greiser bereits am 18. Mai zusammen mit seiner Schwester ein Gespräch mit unserem Fachdezernenten Anton Hauprich geführt", erklärt Bürgermeister Dennis Junk auf Anfrage. Nach diesem Gespräch sei nach Meinung von Hauprich zunächst alles geklärt gewesen. Ansonsten könne sich Greiser jederzeit wieder an die Verwaltung wenden. Formal gesehen werde das Greiser-Gutachten in derselben Weise bearbeitet wie alle rund 400 Eingaben.

Auf die Frage, warum die Überprüfung aller Eingaben gegen Target World nach fast zwei Jahren noch immer nicht abgeschlossen sei, verweist die Verwaltung auf die hohe Zahl der Bearbeitungsfälle. Verbandsgemeindesprecher Herbert Billen: "Die Prüfung dauert wegen der Masse der Einwendungen noch an. Da kann man nicht einfach nach ,Schema F' vorgehen, sondern je nach Art des Einwands sind Nachfragen und gründlichere Recherchen erforderlich."
Kommentar

Geht der Schuss nach hinten los?

Von Friedhelm Knopp

Ob das Target-World-Projekt in Landscheid je verwirklicht wird? Eine Frage, die derzeit keiner beantworten kann. Ein Experte warnt vor erheblichen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung - doch die Verwaltung hat "noch keine Meinungsbildung" dazu und ackert sich nach eigenen Angaben weiter durch rund 400 Eingaben der Gegner.
Wie weit treffen die beunruhigenden Aussagen des Mediziners Eberhard Greiser zu? Kein Laie kann dies beantworten. Und im Baureferat der Verbandsgemeinde sitzen auch nicht die Fachleute, um dies zu entscheiden. Gegengutachten sind zu erwarten. So vergeht die Zeit. Mit dem Investor zur Rettung seiner maroden Anlage schien dem Wurftaubenclub Landscheid der große Wurf gelungen. Aber war dieser Wurf für Landscheid vielleicht mehrere Nummern zu groß? Wäre weniger mehr gewesen? Am Ende könnte der Schuss nach hinten losgehen. Interview

Professor Dr. Eberhard Greiser äußert sich kritisch

Als Epidemiologe untersuchen Sie auch Fakten, die für Menschen in der Nähe starker Emissionsquellen (etwa Flughäfen) zum Gesundheitsrisiko werden können. Ist das richtig so?

Greiser: Seit 2004 habe ich im Auftrag des Umweltbundesamtes drei große Studien zu dem Thema erstellt. Zwei betrafen die Auswirkungen des Flughafens Köln-Bonn auf die Bewohner des Umfelds. Im Ergebnis ließ sich feststellen, dass geeignete Dämmmaßnahmen, etwa Doppelfenster, das Risiko deutlich senken. In Bremen habe ich als Leiter des Instituts für Präventivforschung der Universität ein Krebsregister aufgestellt, außerdem eine Datenbasis für die Inhalte der Todesbescheinigungen. Die Erkenntnis war, dass das Gesundheitsrisiko durch Lärm für die gesamte Bevölkerung erheblich ist - erheblicher als bisher vermutet. Es zeigte sich, dass sowohl Straßenlärm, als auch Schienenlärm in der Nacht die Gesamtsterblichkeit erhöhen. Wenn sowohl Schienenlärm, als auch Fluglärm oder Straßenlärm gemeinsam auftreten, erhöht sich das Krankheitsrisiko für Lymphdrüsenkrebs und Leukämie.
Auch die geplante Target World in Landscheid zählt derzeit zu Ihren Untersuchungsobjekten. Wie wurden Sie auf das umstrittene Vorhaben aufmerksam?
Greiser: Wir wohnen in Musweiler, hören je nach Windrichtung auch heute schon die Schüsse von der bestehenden Landscheider Schießanlage. Verständlich, dass mich die Sache interessiert hat, als die Diskussion um die geplante Großanlage Target World begann. Und es gibt nicht so viele Epidemiologen in Deutschland, die sich mit dem Lärmproblem befassen.
Sie kommen in einem Gutachten über die Anlage zu dem Schluss, dass der Schießsportbetrieb dort zu erheblichen Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung führen würde. Können Sie dazu einige Zahlen nennen?

Greiser: Das Problem ist die relativ schwache Datenbasis, die auf einem unzureichenden amtlichen Probeschießen durch das Landesamt für Umwelt und Gewerbeaufsicht der bestehenden Anlage beruht. Geschossen und gemessen wurde an nur einem Tag im April 2014. Der Emissionswert des alten Schießstandes wurde in Burg/Salm mit 48,7 dB(A) gemessen. Der Prognosewert für die neue Anlage erreicht bis zu 54 dB(A) - für Burg/Salm, also ein Plus von fünf dB(A), was fast der doppelte Lärmdruck ist. Landscheid und seine Nachbarorte haben heute schon ein Lärmproblem: der Militärflugplatz Spangdahlem und der Lärm der nahen A 60.

Überlagert das die möglichen Target-World-Emissionen nicht einfach - oder schaukeln sich die verschiedenen Lärmquellen sogar gegenseitig hoch?

Greiser: Verschiedene Lärmquellen, die sich überlagern, erhöhen das Gesundheitsrisiko. Da wird nicht die eine Lärmquelle von der anderen einfach "übertönt", sondern die Emissionen addieren sich. Je nach Ort und Prognoseszenarium kann das Erkrankungsrisiko der Bevölkerung bis zu 57 Prozent ansteigen.
Was sagt die Verbandsgemeinde Wittlich-Land zum Ergebnis Ihres Gutachtens?

Greiser: Bisher habe ich keine Reaktion von der Verbandsgemeindeverwaltung Wittlich-Land. Ein merkwürdiges Verhalten für eine Verwaltung: Einerseits will man ein "großes Schießkino" genehmigen, andererseits ist man nicht in der Lage, die Einwände dagegen zu widerlegen. Dabei wäre ich jederzeit bereit, das Thema mit den Herrschaften zu diskutieren. Ich finde das sehr befremdlich.

Stimmt es, dass Sie bereits am 18. Mai zusammen mit Ihrer Schwester in der Verwaltung vorgesprochen hatten?

Greiser: Das stimmt so, aber das Ergebnis des Gesprächs war gleich Null. Ich stellte nur fest, dass die sich seit Monaten noch gar nicht mit meinem Gutachten befasst hatten. Es hieß nur, die vielen Eingaben müssten zunächst sortiert werden - zu meinem Gutachten gebe es noch keine Meinungsbildung. Wir wurden also mit leeren Händen heimgeschickt. Ich finde, das ist langsam ein Skandal.

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