Rettungsaktion auf eigene Faust Simon-Fleisch holt Familien von Mitarbeitern aus der Ukraine raus

Wittlich/Kiew/Siret · Rettungsaktion über 3800 Kilometer: Kurz nach Beginn der russischen Invasion hat Simon-Fleisch entschieden, mit zwei Bussen die Familien ukrainischer Mitarbeiter aus dem Kriegsgebiet nach Wittlich in Sicherheit zu bringen.

 In Sicherheit: 15 Frauen und Kinder, denen die Flucht aus der Ukraine gelungen war, sind nach 37 Stunden Fahrt in Wittlich angekommen. Organisiert wurde die Aktion vom Integrationsbeauftrage des Unternehmens, Viliam Soroka (rechts im Bild). Zwei weitere Familienangehörige, die ihre Flucht aus der Ukraine nach Wittlich mit dem eigenen Auto antraten, sind ebenfalls auf dem Gruppenbild zu sehen.

In Sicherheit: 15 Frauen und Kinder, denen die Flucht aus der Ukraine gelungen war, sind nach 37 Stunden Fahrt in Wittlich angekommen. Organisiert wurde die Aktion vom Integrationsbeauftrage des Unternehmens, Viliam Soroka (rechts im Bild). Zwei weitere Familienangehörige, die ihre Flucht aus der Ukraine nach Wittlich mit dem eigenen Auto antraten, sind ebenfalls auf dem Gruppenbild zu sehen.

Foto: TV/Fleisch Simon

15 Frauen und Kinder sind in Sicherheit! Auf eigene Faust hat das Unternehmen Simon-Fleisch am vergangenen Wochenende die Familien ukrainischer Mitarbeiter aus dem Kriegsgebiet der Ukraine nach Deutschland gebracht. Wie das Unternehmen erklärt, arbeiten schon seit einigen Jahren Mitarbeiter aus der Ukraine in Wittlich. Derzeit sind 35 Ukrainer im Schlachthof beschäftigt.

Die Entscheidung für die Rettungsaktion der Familienangehörigen sei kurz nach Beginn der russischen Invasion gefallen, sagt Geschäftsführer Bernhard Simon. Das Unternehmen organisierte kurzfristig einen Abholungsort hinter der ukrainischen Grenze auf rumänischem Staatsgebiet. Am Donnerstagabend, 24. Februar, machten sich zwei Kleinbusse mit jeweils zwei Fahrern besetzt vom Werksgelände in Wittlich auf einen knapp 1900 Kilometer langen Weg zum rumänischen Grenzort Siret. Die Busse der Firma, die nun zur Evakuierung von Angehörigen eingesetzt wurden, dienen eigentlich dem Transport von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zwischen den Werken der Unternehmensgruppe. Nach einer Fahrtzeit von 27 Stunden erreichten die Fahrer über Österreich und Ungarn den verabredeten Abholungsort in Rumänien. 15 Frauen und Kinder, denen die Flucht aus der Ukraine gelungen war, stiegen dort nach Angaben des Unternehmens in die beiden Simon-Busse. Noch in der Nacht auf Samstag machte sich der Konvoi auf den langen Weg zurück nach Wittlich. Da unterwegs auch Pausen eingelegt werden mussten, seien Fahrer und Flüchtlinge 37 Stunden unterwegs gewesen, sagt der Integrationsbeauftragte des Unternehmens Viliam Soroka, der aus der Slowakei stammt und mit der Organisation der Rettungsaktion beauftragt war. Sonntagnachmittag war es dann so weit: Die Simon-Mitarbeiter hatten es geschafft. Über mehrere Landesgrenzen hatten sie 15 Frauen und Kinder aus dem Kriegsgebiet nach Wittlich und damit in Sicherheit gebracht.

Soroka: „Natürlich war ich sehr besorgt und aufgeregt während der Aktion, aber als ich am Sonntag in die Augen der Kinder geschaut habe, wusste ich, dass wir richtig gehandelt haben.“ Wo wohnen die Mitarbeiter jetzt? „Wir mussten sehr kurzfristig über das Wochenende Wohnraum schaffen, das war nicht ganz einfach. Zunächst haben wir die Familien nun in einem Haus des Unternehmens in Wittlich untergebracht. In den kommenden Wochen werden wir für jede Familie eine passende Wohnung suchen.“ Die Firma stellt also aktuell Wohnungen zunächst einmal umsonst. Bernhard Simon: „Die Familien wohnen jetzt alle in einem Haus zusammen. Das ist aber natürlich keine Dauerlösung. In den kommenden Wochen wird für jede Familie eine Wohnung gefunden werden. Die Väter arbeiten ja bei uns, die Familien stehen also nicht völlig ohne Geld da.“

Glücklicherweise unterstützen auch viele Mitarbeiter des Unternehmens in Wittlich die ukrainischen Familien ganz praktisch und spenden beispielsweise Kleider und Spielzeug für die Flüchtlingskinder.“ Wer die ukrainischen Familien in Wittlich unterstützen möchte, sagt der Geschäftsführer, der solle sich bei der Firma Simon-Fleisch melden. Es gebe nun natürlich viele weitere Dinge wie Behördengänge sowie Plätze in Kindergärten und Schulen zu regeln, sagt Soroka. Asylanträge seien nur dann erforderlich, wenn die Flüchtlinge nicht über einen EU-Pass verfügen würden. Simon: „Wenn das der Fall ist, werden die Anträge natürlich gestellt.“

Doch die Mitarbeiter stammen laut Angaben von Simon-Fleisch aus westlichen Regionen der Ukraine, „und verfügen über die Staatsbürgerschaft eines EU-Staats“. John R. Krupp, der bei Simon neben der Exportleitung auch die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens verantwortet, erläutert die historischen Hintergründe: „Der westliche Teil der Ukraine mit den großen Städten Lwiw, zu deutsch Lemberg, und Czernowitz ist seit Jahrhunderten europäisch und vom Zusammenleben vieler Völker geprägt. So gehörte dieser Teil der Ukraine bis 1918 zu Österreich-Ungarn, während der Zwischenkriegszeit zu Polen sowie Rumänien und erst nach 1945 zur Sowjetunion sowie ab 1991 zur Ukraine.“ Dementsprechend würden noch heute viele Menschen, die in diesem Teil der Ukraine leben, zusätzlich über die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes verfügen, „in der Regel Rumänien oder Polen und können somit in der Europäischen Union arbeiten“. Simon-Fleisch unterhalte außerdem schon seit vielen Jahren Lieferbeziehungen zu Kunden in der Ukraine, sagt Krupp.

Plant Simon-Fleisch weitere Evakuierungen? Soroka: „Wir werden allen Mitarbeitern, die noch nahe Angehörige in der Ukraine haben und die eine Evakuierung wünschen, versuchen zu helfen. Die aktuellen Entwicklungen im Kriegsgebiet machen dies nicht leichter, aber wir werden gegebenenfalls Wege finden.“

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