Schlechte Aussichten für das Projekt Rückenwind

Wittlich · Jeweils 60 000 Euro standen zwei Jahre lang als Anschubfinanzierung für das Wittlicher Projekt Rückenwind zur Verfügung. Die Suche nach neuen Geldgebern blieb bislang ergebnislos. Deshalb müssen die Öffnungszeiten reduziert werden.

Wittlich. Als Anfang Dezember 2010 in Wittlich das Projekt Rückenwind aus der Taufe gehoben wurde, war der Auflauf groß. Die rheinland-pfälzische Justiz-Staatssekretärin Beate Reich sowie Prälat Franz-Josef Gebert, Vorsitzender des Caritasverbandes der Diözese Trier, waren beim Startschuss des Modellprojekts dabei. In der Anlaufstelle werden seither Angehörige von in der Wittlicher Justizvollzugsanstalt Inhaftierten betreut.
Bis zu 600 von ihnen kommen pro Monat, um Ehemann, Vater oder Sohn zu besuchen. Immer mehr von ihnen suchen auch den Kontakt zu Rückenwind. Bis zu 150 Begegnungen (persönlich oder telefonisch) zählen die Diplom-Pädagogin Melanie Bonifas und ihre zehn ehrenamtlichen Helfer pro Monat.
Manche kommen, um eine Tasse Kaffee zu trinken oder die Toilette zu benutzen, weil sie eine weite Anreise hinter sich haben. Andere, um ihre Kinder betreuen zu lassen oder abzuholen (nur jeweils drei Personen dürfen zu einem Häftling). Wieder andere holen sich Hilfe im Umgang mit Behörden oder erzählen ihre Lebensgeschichte, was manchmal mehrere Stunden dauern kann. "Es ist wichtig jemanden zu haben, der einem einfach zuhört, denn man fühlt sich oft allein", sagt eine Frau aus der Eifel, deren Sohn in Wittlich seine Strafe absaß. Jeweils 60 000 Euro standen dem Sozialdienst Katholischer Männer (SKM), Träger des Projekts, dafür in diesen beiden Jahren zur Verfügung. Das Geld kam von der Glücksspirale und vom Bistum Trier. Davon wurden unter anderem Melanie Bonifas sowie die Miete bezahlt.
Doch schon wenige Monate nach der Eröffnung stellte Hans-Peter Pesch die Frage, ob und wie es weitergeht, wenn nach zwei Jahren die Finanzierung ausläuft. Pesch war damals für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Seit Anfang Oktober 2012 ist er Projektleiter.
Bei der Eröffnung waren Worte wie "Glücksfall" und "wegweisend" und Sätze wie "Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben" gefallen. Knapp zwei Jahre später sprechen Hans-Peter Pesch und Josef Heinz, einer der ehrenamtlichen Helfer, in Bezug auf die Finanzierung zwar nicht von Gegenwind, aber zumindest von einer Flaute.
Es wird aber weitergehen, zumindest bis Ende 2014, wenn auch nur mit reduzierten Öffnungszeiten und halbiertem Einsatz von Melanie Bonifas. Denn es stehen nur noch 30 000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Glücksspirale und Bistum haben sich nach Peschs Auskunft bereiterklärt, weiter eine Art Anschubfinanzierung zu leisten. Die war ursprünglich auf zwei Jahre begrenzt. Pesch hatte gehofft, dass staatliche Stellen einspringen. "Denn so etwas ist eigentlich eine Aufgabe des Staates", sagt er. Immerhin hätten sich auch viele Politiker vor Ort über das Projekt informiert. Doch es blieb bisher beim Versuch, die Finanzierung auf sichere Beine zu stellen.
Dabei gibt es nur Lob für die Anlaufstelle. "Was die machen, können wir nicht leisten", sagt Robert Haase, der Leiter der JVA. Es sei wichtig, dass diese Arbeit von Leuten gemacht werde, die nichts mit Strafvollzug zu tun haben. "Sie lebt von der Neutralität", sagt Haase. Für Häftlinge und Opfer gebe es Hilfsangebote. "Angehörige sind lange durch das Raster gefallen", berichtet der Anstaltsleiter.
Die Justiz könne nicht mit Geld dienen. Das sei nicht ihre Aufgabe und sehe nach Einmischung aus. Haases Wunsch. "Es müsste jemanden geben, der für längere Zeit die Finanzierung übernimmt." Den hofft Hans-Peter Pesch noch zu finden. "Ich bin da optimistisch", sagt er.Meinung

Jeder Euro ist gut angelegt
Bei der Wittlicher Wirtschaftswoche war das Projekt Rückenwind mit einem Stand vertreten. Einige Besucher reagierten brüskiert, als sie erfuhren, dass es irgendwie mit Strafgefangenen zu tun hat. Ihre Meinung änderte sich, als sie merkten, dass es um die Angehörigen von Häftlingen geht. Das allein zeigt, wie wichtig Rückenwind ist. Deshalb darf ein solches Projekt auch nicht am Fehlen einiger Tausend Euro scheitern. Für viele Angehörige sind die Räume mehr als nur ein Ort, um Wartezeiten zu überbrücken. Da ist jeder Euro gut angelegt. c.beckmann@volksfreund.deExtra

In der Justizvollzugsanstalt Wittlich sitzen derzeit etwa 510 Häftlinge ein, weitere 60 befinden sich im offenen Vollzug. Im Krankenhaus werden 60 Patienten behandelt - auch aus anderen Haftanstalten. Strafgefangene dürfen pro Monat zwei Stunden lang Besuch empfangen, in der Jugendstrafanstalt sind es vier Stunden. Die Anlaufstelle in der Trierer Landstraße 99 liegt genau gegenüber dem Haupteingang der JVA. Die Öffnungszeiten: montags 8 bis 12.30 Uhr, dienstags 9 bis 16.30 Uhr, mittwochs und donnerstags 13 bis 16.30 Uhr, freitags 9 bis 12.30 Uhr, am jeweils zweiten Samstag im Monat von 9 bis 15 Uhr. cb

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