Schlusslicht im Nachthemd

Im Nachthemd steht Edith Weber um ein Uhr in der Nacht am Kröver Moselufer. Sie hat sich nicht aus ihrer Wohnung ausgesperrt. Nachthemd und Blinklichter an Armen, Beinen und auf dem Kopf sind ihre "Arbeitskleidung" als Schlussläuferin beim Mitternachtslauf.

Kröv. Mit glänzenden Wangen und strahlenden Augen erzählt Edith Weber von ihren Erlebnissen in den vergangenen knapp eineinhalb Stunden. Sie ist diejenige, die seit 17 Jahren die Stimmung beim Kröver Mitternachtslauf am längsten genießen kann - als Schlussläuferin im Hauptlauf über 9,4 Kilometer.

Die Frau aus Kinheim-Kindel ist der große Motivator am Ende des Feldes. "Den Berg kann ich leider niemandem ersparen", sagt sie. Aber mit einem netten Wort kann sie Mut machen. Das kann auch der Mut sein, auszusteigen. "Jeder will natürlich durchhalten", erzählt Edith Weber. Wenn das Training aber noch nicht ausreichend war, Krankheiten oder Verletzungen Läufer behindern, sei es oft besser, nicht durchzulaufen: "Man muss auch den Mut haben zu sagen: ,Ich höre auf!'"

So ging auch die Kröver Weinkönigin frühzeitig unter die Dusche. "Sie sagte, ich verabschiede mich lieber, sonst kann ich nachher nicht bei der Ehrung dabei sein", erzählt Edith Weber. "Sonst wäre ich durchgelaufen", beteuert Krövs Mosella Christina Reichert. 2011 könne sie sich ganz aufs Laufen konzentrieren.

Nicht nur eine Weinkönigin begleitete Edith Weber während der mehr als eineinhalb Jahrzehnte als Schlussläuferin, sie erlebte einiges am Ende des Mitternachtslauffeldes. "Wir hatten schon alles, zum Beispiel einen Ehekrach", erzählt die blond-gelockte Frau aus Kinheim-Kindel, wie ein überehrgeiziger Mann seine Frau den Anstieg hinaufscheuchte. Edith Weber bekam Angst, diese könnte kollabieren: "Ich habe gesagt: ,Hören sie nicht auf ihren Mann!'"

Wie der Ehekrach ausging, hat Edith Weber nie erfahren. Wie bei den zwei Ausfällen während des aktuellen Mitternachtslaufs in der Nacht von Samstag auf Pfingstsonntag musste sie sich sputen. "Wenn jemand aussteigt, dann verabschiede ich mich bis zum nächsten Jahr und versuche den nächsten Letzten zu bekommen", erzählt sie. Sobald es Überrundungen gibt, wird es unübersichtlich in der Dunkelheit. "Man erkennt es am Laufstil: Ist das ein schneller Läufer oder ein langsamer", erklärt Edith Weber. Trotz ihrer Zwischenspurts - das große Feuerwerk hat Edith Weber verpasst - mal wieder, wie seit 17 Jahren.

Sport Seite 20

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