Schmutzbrühe als Energielieferant

Was macht die Kläranlage? Wasser reinigen. Was macht sie noch? Energie verbrauchen und Energie gewinnen. Mit Letzterem deckt die Wittlicher Zentralkläranlage 45 Prozent des eigenen Strombedarfs. 100 Prozent sind das Ziel.

 Zwischen Wengerohr und Altrich liegt Wittlichs Zentralkläranlage. Sie soll, was ihren Energieverbrauch angeht, zum hundertprozentigen Selbstversorger werden. Foto: Stadtverwaltung Wittlich

Zwischen Wengerohr und Altrich liegt Wittlichs Zentralkläranlage. Sie soll, was ihren Energieverbrauch angeht, zum hundertprozentigen Selbstversorger werden. Foto: Stadtverwaltung Wittlich

Wittlich. Kleines Gedankenspiel: Man nehme Würfel mit einem Meter Kantenlänge. Davon stelle man 10 000 Stück hintereinander von Wittlich nach Salmrohr. Das ist eine Strecke von rund zehn Kilometern. Wären die Würfel mit Klärschlamm gefüllt, wäre das ein Bild für die Menge, die jährlich bei der Wittlicher Zentralkläranlage anfällt: 10 000 Kubikmeter Klärschlamm. "Der Nassschlamm wird komplett landwirtschaftlich als Düngemittel verwertet", sagt Ulrich Jacoby, Pressesprecher der Stadtverwaltung. Noch ist das so. Noch.

Gasausbeute steigern



Denn seit Jahren tüfteln die Stadtwerke an einem besseren Energiekonzept. Schon vor drei Jahren hieß das Ziel, 100 Prozent des Strombedarfs der Anlage selbst zu decken. Damals wie heute sind es rund 45 Prozent des eigenen Verbrauchs. Insgesamt braucht man 1,1 Millionen Kilowattstunden im Jahr, damit kämen 315 Haushalte aus. Bislang betreiben die Stadtwerke ein Blockheizkraftwerk, das die Gase, die im Faulturm entstehen, zur Stromerzeugung nutzt und mit der Abwärme die Gebäude heizt.

Denn vereinfacht gesagt kommt in der Kläranlage verschmutztes Wasser an und am Schluss kommt gereinigtes Wasser raus, das in die Lieser fließt, sowie Faulgase und Klärschlamm. Die beiden letzten Posten könnten noch besser zur Energiegewinnung genutzt werden. "Es besteht die Möglichkeit, die Gasausbeute durch die Mitverarbeitung von geeigneten Abfallstoffen aus Gewerbe und Industriebetrieben bei der Schlammfaulung deutlich zu steigern", sagt Ulrich Jacoby. Mehr Gas heißt: mehr Strom.

Für dieses Ziel wurde zwischen 2009 und 2010 eine Studie mit dem Land erstellt. "Steigerung der Ökoeffizienz kommunaler Kläranlagen durch Co-Fermentation am Beispiel Modellprojekt Kläranlage Wittlich" heißt sie, Kosten für die Stadt gab es nicht. Das Ergebnis sind bauliche und technische Maßnahmen für den angepeilten Mix aus Klärschlamm und anderen Abfällen, die möglicherweise Dr. Oetker und der Schlachthof Simon liefern könnten. Mit dem Mix würde die Gasausbeute steigen. Jetzt sind die Stadtwerke in der Planungs- und Kostenberechnungsphase. Deren Leiter Lothar Schaefer geht derzeit von rund 1,8 Millionen Euro Investitionskosten aus.

Ziel ist, noch dieses Jahr mit dem ersten Bauabschnitt zu beginnen, der 2012 fertig sein soll. "Das Land Rheinland-Pfalz beteiligt sich an den Investitionskosten, die exakte Förderhöhe steht noch nicht fest", sagt Ulrich Jacoby. Außerdem kommt später wieder der Klärschlamm ins Spiel, der womöglich eines Tages nicht mehr von den Landwirten in die Wittlicher Senke verteilt werden darf. "Langfristig, insbesondere bei einem Wegfall der landwirtschaftlichen Verwertbarkeit des Klärschlamms, soll die Abwärme in Verbindung mit Solartechnik zur Trocknung der anfallenden Klärschlämme genutzt werden", sagt Jacoby. Das wäre der zweite Bauabschnitt. Außerdem werde eine Lieferung für Nahwärmeversorgungsanlagen untersucht. Getrockneter Klärschlamm selbst kann etwa für die Verbrennung in der Zement- und Stahlindustrie genutzt werden.

Und was hat der Bürger von dem Ganzen? "Neben einer verbesserten Ökoeffizienz führt dies auch zu nachhaltig günstigen und konstanten Abwassergebühren", sagt Ulrich Jacoby.

EXTRA



Die Zentralkläranlage, kurz ZKA, liegt zwischen Wengerohr und Altrich und reinigt alle Abwässer aus der Stadt Wittlich, ihren Stadtteilen, Gewerbe- und Industriebetrieben und Flußbach. 2,2 Millionen Kubikmeter Wasser fließen im Jahr in die Anlage, davon sind 1,6 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser, der Rest ist Oberflächenwasser. Die Ausgaben für Strom sind von rund 59 000 Euro im Jahr 2005 auf rund 83 000 Euro im vergangenen Jahr bei relativ gleichem Verbrauch gestiegen. sos

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