Schöner Adler kehrt nach mehr als 70 Jahren zurück

Idar-Oberstein · Nach langer Restauration kehrt ein Oldtimer wieder in den Besitz der alten Eigentümer zurück. Der Wagen Adler Standard stammt aus dem Jahre 1929.

Idar-Oberstein. Benzingeruch und blitzendes Chrom prägen nach der Oldtimerausfahrt die Atmosphäre in der Obersteiner Altstadt. Passanten drängeln sich um amerikanische Straßenkreuzer und Muscle-Cars, italienische Sportwagen und deutsche Edellimousinen. Statt für die teils mit reichlich Pferdestärken strotzenden Boliden hat Marie-Luise Crummenauer allerdings nur Augen für einen vergleichsweise schwach motorisierten Adler Standard 6. Der Anblick des von Siegbert Zimmer liebevoll restaurierten Schmuckstücks aus dem Baujahr 1929 ist für die Idar-Obersteinerin wie eine Zeitreise in die Kindheit ihres verstorbenen Mannes Karl-Otto Crummenauer. "Es gibt Fotos, auf denen er als kleiner Junge im Matrosenanzug stolz am Steuer dieses Autos sitzt", berichtet sie. Denn bevor der Sechszylinder einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf schlief und schließlich in den 1990er Jahren in der Werkstatt des Oldtimerliebhabers und KFZ-Meisters im niederrheinischen Wegberg landete, war er im Besitz der Familie Crummenauer und auf den Straßen der Edelsteinstadt unterwegs. "Mein Schwiegervater Max Crummenauer hat das Auto angeschafft, es war Ende der 1920er Jahre eines der ersten in der ganzen Nachbarschaft", erzählt Marie-Luise Crummenauer, deren Mann ihr oft vom Stolz der Familie vorgeschwärmt hat. Zum Kriegsausbruch 1939 wäre der Wagen fast für die Wehrmacht beschlagnahmt worden, aber dank einer Ausnahmeregelung für mehr als zehn Jahre alte Automobile durfte er im Familiienbesitz bleiben.
Ein Jahr später aber mussten die in der Edelsteinbranche tätigen Crummenauers ihn verkaufen. Der Käufer, ein Viehhändler aus Allenbach, ließ die Limousine hinterm Fahrersitz abschneiden und wandelte sie in einen Pritschenwagen um. 1943 beschlagnahmte die Wehrmacht dann die Reifen. Der Adler wurde aufgebockt, geriet in Vergessenheit und rostete über Jahrzehnte vor sich hin - bis ihn schließlich ein Bekannter von Siegbert Zimmer aus der Oldtimer-Szene entdeckte und später an ihn verkaufte. Für den Autonarren vom Niederrhein war es trotz des trostlosen Erscheinungsbilds, das der Oldtimer bot, Liebe auf den ersten Blick. Gängigere Oldtimer sind für ihn nämlich uninteressant. "Der Adler Standard 6 ist ein Fahrzeug, das sich von der Masse abhebt, weil es wirklich nur noch sehr wenige Exemplare gibt", erklärt er. Mit heute bescheiden wirkenden 50 PS, Ganzstahlkarosse, hydraulischen Bremsen und Zentralschmierung sei der in den Frankfurter Adlerwerken gefertigte Wagen zudem seiner Zeit voraus gewesen. Also investierte er seit 1996 viel Geld und unzählige Arbeitsstunden in den originalgetreuen Wiederaufbau des Unikats. Behilflich war ihm dabei Karl-Otto Crummenauer, mit dem er sich bis zu dessen Tod mehrfach austauschte. "Die Oldtimerausfahrt ist nun die passende Gelegenheit, den Adler einmal zurück zu seinem Horst zu bringen", meint Zimmer. Eine Freude hat er damit auch Marie-Luise Crummenauer gemacht. "Schade nur, dass mein Mann das alles nicht mehr miterleben konnte", meint sie wehmütig. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort