Schrecksekunden im Amtsgericht

BERNKASTEL-KUES. Auch wenn es sich letztlich nur um eine Schreckschuss-Pistole handelte: Polizeibeamte und Mitarbeiter des Amtsgerichts gingen vorsichtig zu Werke, um einen psychisch Kranken festzunehmen.

Ein Held will Felix Assmann nicht sein, tollkühn oder unvorsichtig ist er auch nicht. Als ehemaliger Stabsfeldwebel, der bis vor zwei Jahren an Reserveübungen der Bundeswehr teilnahm, hat er aber ein gutes Auge für Waffen und ihren Mechanismus. Dieses Wissen hilft ihm, als er den Mann sieht, der am Freitag im Eingang des Amtgerichts Bernkastel-Kues steht und eine Pistole durchlädt. "Das Magazin war nicht richtig drin, der Verschluss hatte sich nicht geschlossen. Deshalb konnte sich kein Schluss lösen", sagt der Gerichtsbeamte. "Hätte ich gemerkt, dass die Waffe schussbereit ist, wäre ich nicht so mutig gewesen." Denn ob es sich um eine scharfe Waffe oder eine Schreckschuss-Pistole handelt, kann er nicht erkennen. Felix Assmann stürzt sich auf den 35-Jährigen, um ihm die Waffe zu entreißen. Doch der dreht sich um und flüchtet in sein Auto, das vor dem Gebäude steht. Dann fallen drei Schüsse. Der Mann hat seine Waffe mittlerweile funktionstüchtig gemacht und feuert aus dem Wagen auf den Beamten, der sich hinter einem Träger des Gebäudes versteckt. Das alles dauert nur wenige Sekunden. "Es fiel kein einziges Wort", sagt Assmann. Inzwischen ist die Polizei verständigt. Anhand der Hülsen, die Assmann den Beamten übergibt, erkennen sie, dass es sich um eine Schreckschusspistole handelt. "Sonst hätten wir ein Sondereinsatz-Kommando angefordert", sagt Helmut Kaspar, Leiter der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues. Assmann, der in Gonzerath wohnt und dort Ortsvorsteher ist, kennt den Mann aus Bernkastel-Kues, der wegen einer psychischen Erkrankung unter Betreuung steht und öfter zur zuständigen Sachbearbeiterin kommt. "Ich hätte aber nie gedacht, dass er bösartig ist", sagt er. Auch bei der Polizei ist der Mann, der mehrmals vorstellig geworden ist, um sich über die angeordnete Betreuung zu beschweren, als "ruhig und harmlos" bekannt. Straf- und verkehrsrechtlich sei er bis dahin nicht in Erscheinung getreten, sagt Kaspar.Einsatz in schusssicheren Westen

Die fünf Beamten, die sich dann zu der Wohnung des Mannes begeben, tragen dennoch schusssichere Westen und haben ihre Dienstwaffen in der Hand. Als sie sich dem Haus nähern, hören sie drei Schüsse. "Der Mann hat vom Balkon aus geschossen", sagt Helmut Kaspar. Als der Mann die Polizisten sieht, richtet er die Pistole auf sie. Nur mit Mühe gelingt es den Beamten, den kräftigen Mann festzunehmen. Bei einem Handgemenge löst sich aus der Pistole ein Schuss. Ein Beamter wird leicht an der Hand verletzt. Ein Notarzt stellt den Schützen, der in eine psychiatrische Klinik gebracht wird, ruhig. Die Schreckschuss-Pistole ist nicht ungefährlich. Helmut Kaspar: "Bei geringer Distanz kann sie schwerste Verletzungen verursachen." Den "kleinen Waffenschein", der nötig ist um die Pistole mit sich zu führen, besitzt der Mann nicht.

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