Schüler verängstigt, Eltern empört

Bernkastel-Kues · Wenn die Schüler der elften Klasse der Rosenbergschule in Bernkastel-Kues nach den Sommerferien in die berufsvorbereitende Werkstufe eintreten, wird der bisherige Klassenverband aufgelöst. Das wollen weder Schüler noch Eltern der betroffenen Kinder.

 Niklas, Tobias, David, Timo (oben von links), Lara-Jeanne, Marie und Patrick (unten von links) wollen auch in der Werkstufe zusammenbleiben. Foto: privat

Niklas, Tobias, David, Timo (oben von links), Lara-Jeanne, Marie und Patrick (unten von links) wollen auch in der Werkstufe zusammenbleiben. Foto: privat

Bernkastel-Kues. Wenn die 16-jährige Marie vor den Sommerferien in die Schule sollte, dann ging sie nur widerwillig. Ihre Mutter Katja Krebs berichtet von Heulkrämpfen. Marie habe sich geweigert, in den Schulbus einzusteigen. Auch ihr Klassenkamerad Timo ist nach Aussagen seiner Mutter Petra Paulus verängstigt. Obwohl er in den vergangenen Jahren viel Selbstvertrauen gefasst habe, sei er nun wieder sehr verschüchtert und spräche nur noch sehr leise. Marie, Timo und neun weitere Schüler besuchen gemeinsam die elfte Klasse der Rosenbergschule in Bernkastel-Kues, einer Förderschule für geistig und körperlich behinderte Kinder.
Dass sie mit Angst an das kommende Schuljahr denken, hat einen Grund: Nach den Sommerferien gehen sie in die berufsvorbereitende Werkstufe (siehe Extra). Und das bedeutet eine neue Klasse, neue Lehrer, neue Mitschüler. Einige Klassenkameraden sind dann älter als Marie, Timo und die anderen. Unter den neuen Mitschülern, so berichten die Eltern von Marie und Timo, seien auch solche, vor denen die beiden Angst hätten.
Weil die Kinder unbedingt zusammenbleiben wollen, haben zwei der Schüler, Timo und Tobias, bereits im Frühjahr bei Direktor Holger Schäfer ihr Anliegen im Namen der Klasse vorgebracht. Für Schüler mit Entwicklungs- und teilweise auch Kommunikationsdefiziten kein leichtes Unterfangen. "Dass sie diesen Mut gefasst haben, war ein großer Schritt für unsere Kinder", erklärt Maries Mutter, Katja Krebs. Andreas Manz, Tobias\' Vater, pflichtet ihr bei: "Wir haben jahrelang daraufhin gearbeitet, dass sie diese Selbstständigkeit erreichen." Sie und die anderen Klasseneltern wollen deshalb ihre Kinder unterstützen.
Entscheidung kurz vor den Ferien


Außerdem argumentieren die Eltern, dass ihre Kinder mehr Zeit bräuchten als andere, um sich an neue Situationen zu gewöhnen. Die Entscheidung, neue Klassenverbände zu bilden, sei erst kurz vor den Sommerferien gefällt worden und für die Kinder überraschend gekommen, berichten die Eltern. Keine Zeit also, sich an den Gedanken zu gewöhnen, künftig ohne den besten Freund in die Schule zu gehen. Das mehrt die Wut der Eltern auf das Vorgehen der Schule.
Bei einem Gesprächstermin mit Schäfer habe dieser aus ihrer Sicht nicht überzeugend darlegen können, warum er die Klassenverteilung entsprechend vorgenommen habe. Sein Argument, er habe das Wohl jedes Schülers berücksichtigt, lassen sie mit Verweis auf die Ängste der Kinder nicht gelten.
Schäfer selbst wollte sich gegenüber dem TV nicht zu der Sache äußern und verwies an die für die Schulen zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Das Vorgehen von Herrn Schäfer sei "sowohl pädagogisch als auch organisatorisch" nachvollziehbar, heißt es aus Trier. Die Schüler sollen in der Werkstufe mit neuen Menschen in Kontakt kommen, um sie so auf die nachfolgende Berufsphase vorzubereiten. Auch in der Vergangenheit hätten die Kinder bereits Lehrer- und Klassenwechsel erfahren. Zudem würden sich die Schüler und Lehrer an einer relativ kleinen Schule wie der Rosenbergschule mit nur 86 Schülern alle untereinander kennen.
"Mir fehlt jedes Verständnis, warum man eine Klasse, die funktioniert, auseinandernimmt", empört sich Stefan Krebs dennoch. Die Eltern berichten übereinstimmend, dass die Schüler sich gegenseitig unterstützen. Auch seine Frau bekräftigt gegenüber dem TV: "Es muss eine andere Lösung gefunden werden. Ich werde mein Kind nicht tagelang heulend in die Schule schicken." Sie hofft weiterhin auf ein Einlenken der Schule.Extra

Die Rosenbergschule ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt ganzheitliche Entwicklung. Hier werden Schüler mit den unterschiedlichsten geistigen und körperlichen Einschränkungen ab dem Grundschulalter unterrichtet. Sie durchlaufen jeweils drei Jahre die Unter-, Mittel-, Ober- und Werkstufe in altersübergreifenden Klassen. Insgesamt hat die Schule 86 Schüler. Mit etwa 16 Jahren beginnt für sie die Werkstufe, die der Berufsschule entspricht. 36 Schüler werden im Schuljahr 2014/15 die Werkstufe besuchen Hier werden sie auf den Übergang in eine Werkstatt für behinderte Menschen oder, wo möglich, den regulären Arbeitsmarkt, vorbereitet. Dazu werden Praktika und Praxistage in Betrieben durchgeführt und der Integrationsfachdienst sowie die Arbeitsagentur kommen hinzu. cli

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