Landwirtschaft 2500 Schweine gehabt, aber kein Glück: Bauer in Landscheid gibt Schweinemast auf

Landscheid · Die Borstentiere werden allgemein als Glücksbringer bezeichnet. Doch dem Landscheider Landwirt Edgar Marx bescheren die Ferkelzucht und die Schweinemast nur mehr verlustreiche Jahresabschlüsse.

 Von ehemals 2500 Tieren auf Null: Schweine (Bild oben) wollen Betriebsinhaber Edgar Marx (Bild unten/rechts) und sein Vater Willi Marx ab 2019 keine mehr auf dem Wollscheider-Hof in Landscheid züchten oder mästen.

Von ehemals 2500 Tieren auf Null: Schweine (Bild oben) wollen Betriebsinhaber Edgar Marx (Bild unten/rechts) und sein Vater Willi Marx ab 2019 keine mehr auf dem Wollscheider-Hof in Landscheid züchten oder mästen.

Foto: Christian Moeris

Selbst im Land der  Säubrenner haben Schweinebauern nicht mehr unbedingt viel Schwein. Denn sonst könnte es kaum möglich sein, dass die Zahl der Schweinemast- und Ferkelzuchtbetriebe auch dort seit Jahren steil im Sinkflug begriffen ist. „Nur noch vier Prozent des Schweinefleisches, das die Bewohner des  Landkreises Bernkastel-Wittlich verzehren, wird auch hier produziert“, sagt Jörg Ritgen, Vorstandsmitglied des Kreisverbands beim Bauern- und Winzerverband und selbst Schweinebauer.

Die verbliebenen vier Prozent sind wohl auch nicht mehr zu halten, wenn in den Schweinemastställen von Landwirt Edgar Marx in Landscheid 2019 die Lichter ausgehen. Denn Marx wirft in zweiter Generation als Schweinebauer das Handtuch: „Ich bin Bauer mit Leib uns Seele, aber es geht nicht mehr“, sagt der 51-Jährige im TV-Gespräch  auf seinem Wollscheider Hof in Landscheid.

Neben ihm steht sein Vater Willi Marx (84), der selbst im hohen Alter noch täglich mit im Stall anpackt. „Die Schlinge zieht sich jeden Tag ein Stück weit enger zu“, sagt der 84-Jährige, der das Gehöft des Wollscheider Hofs als Ferkelzucht- und Schweinemastbetrieb in den 1970er-Jahren mit eigenen Händen aufgebaut hat. „Mein Vater hat vor dem Krieg in den 1930er-Jahren für ein Ferkel noch sechs Reichsmark auf dem Markt bekommen. Dafür konnte er einen Maurer zwei Tage lang beschäftigen“, erklärt der 84-Jährige den Preisverfall für Schweinefleisch. „Heute bekomme ich für ein Ferkel  50 Euro. Dafür arbeitet ein Handwerker maximal noch eine Stunde.“

Doch Handwerker würden sie sich eh schon lange nicht mehr leisten, sagt der 84-Jährige. Was zu reparieren sei, das repariere sein Sohn und Hofnachfolger Edgar selbst.

Aber die letzten  vier Jahresabschlüsse des Schweinemastbetriebs seien derart enttäuschend ausgefallen, sagt Betriebsinhaber Edgar Marx, dass er beschlossen habe, die Schweinemast komplett einzustellen. Tummelten sich ehemals bis zu 2500 Schweine in den mit Stroh ausgestreuten Ställen des Wollscheider Hofes in Landscheid, sind es heute nur noch 100 Tiere. „2019 ist ganz Schluss“, sagt Marx, der lange mit dieser Entscheidung gerungen und deshalb viele Nächte durch gerechnet und kalkuliert hat, „denn diesen Entschluss fasst man nur ein Mal.“

In Deutschland könne niemand mehr kostendeckend zu den Weltmarktpreisen produzieren. Im Durchschnitt würden die Schlachthöfe für ein Schwein nur noch 140 Euro zahlen. „Um meine Kosten zu decken bräuchte ich 160 Euro. Das ist moderne Sklaverei.“

Schweinebauer in Landscheid sattelt auf Getreideanbau um
Foto: Christian Moeris

80 Prozent der Schweinemastbetriebe im Landkreis haben in den letzten Jahren aufgegeben, erklärt Ritgen. Acht Schweinebauern im Vollerwerb, was heißt, dass sie mehr als 50 Tiere auf ihren Höfen halten, sind noch übrig geblieben. Im nächsten Jahr, wenn auf dem Wollscheider Hof kein Grunzen mehr zu hören sein wird, werden es  nur noch sieben Höfe sein. Marx: „Wir können nicht mehr niedriger als niedrig und da ist kein Licht am Ende des Tunnels.“

Doch wer ist schuld an der Misere der Schweinebauern? Für Edgar Marx ist es die Politik: „Auf Kosten der Bauern wird der Wohlstand hoch gehalten. Die Bauern werden verheizt. Aber damit sägt man sich den Ast ab, auf dem man sitzt.  Bei den Auflagen und Qualitätsansprüchen in Deutschland können wir nicht zum Weltmarktpreis, der auch alle Qualitäten gleichsetzt, produzieren.“

Den Karren aus dem Dreck ziehen will er nun mit dem Getreideanbau. Auf den 170 Hektar Ackerland des Wollscheider-Hofes will der Landwirt nun den Getreideanbau fokussieren und Mais für Biogasanlagen anbauen. Silos, um das Getreide zu speichern, sind auf dem Hof schon vorhanden. Deren  Inhalt wurde nur früher restlos an die Schweine verfüttert. Marx: „Beim Getreideanbau ist die Flexibilität größer. Getreide kann ich lagern. Wenn ein Schwein fett ist, muss es zum aktuellen Preis weg.“ Im Ackerbau sei man auch flexibler in der Entscheidung, welches Getreide man anbaue. „Man kann selbst entscheiden: Baue ich Weizen oder Raps an. Da ist noch etwas mehr Potenzial.“

Meinung:

Auflagen kann man nicht essen

Eine Handvoll Industriebetriebe mit abertausenden Tieren und leerstehende Höfe auf dem Land: So sieht die Zukunft von Deutschlands Landwirtschaft aus, wenn man die Landwirte weiterhin dem Preisdruck des freien Marktes aussetzt und sie zusätzlich mit einer Verordnung nach der anderen nagelt – ohne zu prüfen, ob solche machbar sind. Natürlich müssen die Haltungsbedingungen und das Tierwohl in vielen Betrieben mehr Beachtung finden, aber was ist für den Verbraucher gewonnen, wenn zum Schluss kaum mehr Lebensmittel deutscher Bauern in den Regalen liegen und der Berufsstand vor die Hunde geht, der unsere Nahrungsmittel produziert? Ohne dabei an sozialistische Planwirtschaft zu denken, muss man sich  die Frage stellen: Kann man auf die Lebensmittelerzeuger wie auf jede andere industrielle Branche notfalls verzichten und diese abwickeln? Wohl kaum! Weiterhin niedrige Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse bei stetig steigenden Qualitätsansprüchen der Verbraucher werden dieses Horrorszenario jedoch Wirklichkeit werden lassen. Das kann aber nicht der Plan sein!

c.moeris@volksfreund.de

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