Seit 75 Jahren fest im Sattel

Seit 75 Jahren sitzt Walter Rohleder fest im Sattel. In zünftiger Fahrradmontur rast der 85-Jährige auch heute noch unerschrocken steile Straßen hinunter und hält sich mit langen Touren fit. Als junger Soldat gelangte er auf dem Stahlross bis zum Kaukasus.

 Sportlich präsentiert sich Walter Rohleder (85), der seit 75 Jahren fest im Sattel sitzt und heute noch ausgedehnte Fahrradtouren an der Mosel macht. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Sportlich präsentiert sich Walter Rohleder (85), der seit 75 Jahren fest im Sattel sitzt und heute noch ausgedehnte Fahrradtouren an der Mosel macht. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. Mit zehn Jahren stieg er erstmals auf ein Fahrrad, "und wann immer ich eins erwischt habe, bin ich losgefahren", erzählt der vitale Senior, der bei Karlsbad geboren wurde. Als er 15 wurde, bekam er vom Vater das erste eigene Rad, und den Weg zum Arbeitsplatz - Rohleder machte eine Lehre zum Versicherungskaufmann - legte er fortan natürlich nicht mehr zu Fuß zurück.

Im Dezember 1941 wurde er zum Arbeitsdienst eingezogen, und 1942 gelangte der 18-Jährige mit dem Zug in die Ukraine. Mit 170 Kameraden ging es auf schwerbepackten Fahrrädern 3000 Kilometer ostwärts. "Wir durchquerten das Donez-Becken bis zum Don und kamen bis zum Vorgebirge des Kaukasus". Von der herrlichen Landschaft schwärmt er noch heute, aber das Radfahren bei Wind und Wetter, Schnee und Eis geriet zur Strapaze. Von der 3000-Kilometer-Strecke waren nur 100 Kilometer asphaltiert, "wenn es hochkommt", erinnert sich Rohleder. Feldwege, unbefestigte Straßen und Knüppeldämme erwarteten die jungen Soldaten, und als Rohleder 1949 aus der Gefangenschaft nach Rheinhausen kam, schwor er sich, nie wieder ein Fahrrad zu besteigen. "Ich hatte von Russland die Schnauze voll", sagt er.

Doch es dauerte nicht lange, bis es ihn wieder in den Füßen juckte und er in die Pedale trat. Noch im selben Jahr kaufte er vom ersten selbst verdienten Geld ein Rad "und von da an bin ich immer gefahren". Den ganzen Niederrhein graste er ab. Später begleitete ihn auch Ehefrau Irmgard auf seinen Touren.

Seit 1986 lebt das Ehepaar in Traben-Trarbach, und hier setzte sich der Rentner keineswegs zur Ruhe. Mehrmals pro Woche ist er mit seinem 24-Gang-Tourenrad unterwegs. Auf die Berge fährt er jetzt nicht mehr, aber an der Mosel macht er lange Fahrten. Ein Getränk hat er immer dabei "und Eukalyptus-Bonbons, die geben Luft". Ehefrau Irmgard ergänzt schmunzelnd: "Das ist sein Doping". Sie läßt ihrem Mann Vorfahrt und geht lieber zu Fuß. "Ich konnte die Jahre nicht aufholen, die er mir vor aus war", sagt sie lachend und erzählt, dass sie ihr Rad für eine gute Sache weggeben hat und es jetzt in Ghana fährt.

Nur sonntags muss Walter Rohleder, der nach Aussagen seiner Ehefrau freiwillig nicht gerne läuft, ran. "Da muss er laufen", sagt sie entschieden, "denn an dem Tag möchte ich nicht alleine spazieren gehen".

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