Selbstbedienung auf altem Friedhof?

BERNKASTEL-KUES. Das Gelände an der Michaels-Kirche heißt "Am Kirchhof". Gut möglich, dass dort früher eine Grabstätte war, aus der auch die Schädelteile stammen, die in einem Haus in der Nähe gefunden wurden.

"Alles Gute kommt von oben." So heißt ein Sprichwort. Josef Beikirch hat eine andere Erfahrung gemacht. Der Bauarbeiter stieß beim Abriss des Hauses Hettgen in der Bernkasteler Altstadt auf einen menschlichen Schädel, einen Unterkiefer und eine weitere Schädeldecke ( TV vom 18. Januar). Beikirch entfernte in dem mehrgeschossigen Anwesen ein Brett im oberen Bereich eines Bauvorsprungs, als plötzlich der Schädel herabfiel. "Ich dachte erst, das sei ein Ball, und habe ihn instinktiv aufgefangen. Dann bin ich aber erschrocken, als ich einen Menschenschädel in den Händen hielt", erzählt er.Rechtsmediziner sind am Zug

Wenig später stieß er auf ein weiteres Schädelteil sowie den Kieferknochen. Weitere menschliche Überbleibsel wurden bisher aber nicht gefunden. Ob der Unterkiefer zu dem Schädel oder der Schädeldecke gehört, müssen die Untersuchungen zeigen, erläutert Norbert Müller, Leiter der Kripo Wittlich. Bernd Büscher, Leiter des Kriminal- und Bezirksdienstes bei der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues, war mit einem Kollegen vor Ort. Auch er steht vor einem Rätsel. "Gewalteinwirkung ist an den Schädelteilen nicht festzustellen", sagt er. Es wird Aufgabe der Rechtsmediziner sein, das Geschlecht der Toten, ihr Alter und die Liegezeit zu bestimmen. "Alter und Liegezeit können die Mediziner relativ genau bestimmen", erläutert er. Bis die Ergebnisse vorlägen, könnten aber Monate vergehen. "Denn das Haus steht in keinem Bezug zu einer Straftat", erläutert Büscher. Trotzdem läuft bei der Kripo eine Maschinerie an. Es wird überprüft, wer in dem Haus gewohnt hat. "Wir kontrollieren auch die Vermisstenfälle", sagt Büscher. An Spekulationen beteiligt sich der Kriminalist nicht. "Ungewöhnlich ist der Fundort aber auf jeden Fall", räumt er ein. Bei der Ansicht der Schädeldecke hat Kriminaloberrat Müller festgestellt, dass sie säuberlich abgetrennt ist. "Das weist auf eine Obduktion hin", sagt er. Wie alt der Fundort ist, weiß niemand genau. Stadtführer Helmut Theis, Top-Kenner der Stadtgeschichte, schätzt das Haus auf 200 Jahre. Theis erinnert sich daran, dass dort auch einmal eine Bank ihren Sitz hatte. Auch Stadtbürgermeister Wolfgang Port schätzt das Alter des Hauses auf 150 bis 200 Jahre. Die Stadt hat das Haus 2004 gekauft. "Da dürfte es drei Jahre unbewohnt gewesen sein", sagt Port. Es sei schon damals in marodem Zustand gewesen. Seit Anfang des Jahres wird es Stück für Stück abgerissen und weicht dem Karlsbader Platz. Oberstaatsanwalt Volker Bewernick hat Fotos des Schädels und des Kiefers gesehen. "Ich gehe davon aus, dass sie schon sehr lange dort gelegen haben", sagt er. Es sei deshalb auch "nicht sehr wahrscheinlich", dass die Identität der Toten festgestellt werden kann. Es werde aber ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, dass Todesursache und Identität klären soll. In Bernkastel-Kues wird derweil darüber geredet, dass vor einigen Jahrzehnten bei Sanierungsarbeiten an der Michaels-Kirche, wenige Meter von dem Haus entfernt, Schädel gefunden wurden. Norbert Müller berichtet von Erdarbeiten, die Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre nur 25 Meter von dem Anwesen entfernt über die Bühne gingen. Damals seien Skelette gefunden worden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich dort einmal ein Friedhof befunden habe. Ob sich da vielleicht jemand bedient hat? "Wir ermitteln aber in alle Richtungen", sagt Norbert Müller.

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