Seltenes Handwerk im Jugendstil-Laden: Traben-Trarbacher produziert Taschen zwischen wertvollen Fliesen

Traben-Trarbach · Neues Geschäft in altem Ambiente: In der Trarbacher Brückenstraße steht ein klassizistisches Eckhaus, in dem 1906 mit der Metzgerei Karbachs Eck erstmalig ein Laden in feinster Jugendstil-Ausstattung eröffnete. Der Feintäschner Christoph Hack verkauft darin jetzt seine hochwertigen Lederwaren.

 Feintäschner Christoph Hack arbeitet an der Textilnähmaschine in seinem Laden. Auf dem Foto verarbeitet er eine alte Schweizer Militärplane, die einmal das Futter einer Tasche werden soll. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Feintäschner Christoph Hack arbeitet an der Textilnähmaschine in seinem Laden. Auf dem Foto verarbeitet er eine alte Schweizer Militärplane, die einmal das Futter einer Tasche werden soll. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Foto: Gerda Knorrn-Belitz (GKB) ("TV-Upload Knorrn-Belitz"

Traben-Trarbach. Wenn die weißen, blauen und grünen Wandfliesen flüstern könnten, hätten sie einiges über den kleinen Geschäftsraum zu berichten. Der dort seit 1906 ansässigen Metzgerei Karbachs Eck folgte von 1939 bis 1989 das Fischgeschäft von Röschen Imig. Später wurden dort Delikatessen verkauft, es gab ein Weinkontor, Backwaren gingen über die Theke, und es wurde wieder Fisch verkauft. Zuletzt bot Monika Grube Wohnaccessoires an. Der Laden wurde ihr jedoch zu klein, und sie zog auf die andere Straßenseite.
Jetzt freut sich Konrad Weinzheimer, seit 1983 Eigentümer des Hauses, "dass etwas Neues reingekommen ist". Die Miete hat er seit zehn Jahren nicht erhöht. "Ich will nicht das große Geld damit machen", sagt er. Ihm sei wichtig, dass hier ein schöner Laden entstanden ist.

Auch der neue Mieter, der gebürtige Traben-Trarbacher Christoph Hack, ist froh. In der Kölner Innenstadt hat er seit über 15 Jahren einen Laden.
Die Eröffnung einer Filiale an der Mosel war nicht geplant, sondern ergab sich spontan. "Der Laden stand leer und ist perfekt, es passte alles", schwärmt der Feintäschner, der keine Lehre gemacht hat. "Ich bin Autodidakt." Allerdings liegen Begeisterung und Begabung für den Umgang mit Stoff, Leder, Nadel und Faden in der Familie. Urgroßvater Julius Clauß hatte eine Sattlerei in Traben-Trarbach, sein Sohn Rudi eine Polsterei am Trabener Markt. "Und auch meine Mutter Ursula kann gut nähen", berichtet Hack. Er baute sich Opas schwere Textilnähmaschine so um, dass er damit Leder verarbeiten konnte. "Ich habe sehr viel probiert und gelernt", sagt der 50-Jährige, der sich mit 20 Jahren bereits selbstständig machte und dem die Handwerkskammer die Eignung aussprach, Feintäschner auszubilden. Auch Sohn Johannes arbeitet im Kölner Atelier, in dem der fünfte Lehrling jetzt mit der Ausbildung beginnt. Feintäschner stellen aus Leder, Kunststoffen oder Textilien zum Beispiel Brieftaschen und Aktenmappen her.

"Es macht mir Freude, etwas an den Ort hier zurückzubringen", sagt Hack, der behutsam mit der Ausstattung seines Ladens umgehen musste. "Ich darf hier nichts installieren", sagt er. Um die wertvollen Fliesen nicht zu beschädigen, wurden alte Baugerüste aufgestellt und freischwebende Regale daran installiert. Auf dem großen Arbeitstisch stehen eine Industrienähmaschine und eine Spindelpresse.

Durch das Schaufenster kann man Hack bei der Arbeit zuschauen. Auch seine Cousine Monika Clauß, die den Laden führt, wenn er in Köln ist, sitzt an der Maschine. Zur Ausrüstung des Feintäschners gehören Schere, Hammer, verschiedene Messer, Kleber und eine Schärfmaschine zum Dünnerschneiden von Leder. Auch aus altem Leder und Segeltuch fertigt Hack neue Modelle. "Hochwertigste Ledertaschen verkaufen wir in Traben-Trarbach besser als in Köln", freut er sich. Ein höheres Niveau sei gefragt. Man könne die Kunden "nicht nur ganz unten erwischen". Der Beruf des Feintäschners ist in Deutschland selten geworden, weil die Produktion von Lederwaren wegen der Kosten zunehmend ins Ausland verlagert wurde.Extra

Eine Augenweide ist der kleine Jugendstilladen in der Trarbacher Brückenstraße. Die Wiesbadener Firma Steinberg & Vorsanger stattete den Verkaufsraum einst mit glasierten und ornamentierten Fliesen aus. Hauseigentümer Konrad Weinzheimer investierte gemeinsam mit dem Frankfurter Geschäftsmann Michael Baldauf und dem Landesamt für Denkmalpflege in den 1980er Jahren 120 000 Mark in den Laden. Die Plättchen an der Wand mussten nachgemacht werden, und die Einzelanfertigungen kosteten bis zu 200 Mark pro Stück. Die Trierer Glasmalerei Binsfeld widmete sich der Decke, baute die Opalglasplatten aus und erneuerte die grünen Ornamente. 1992 erhielt das Geschäft eine neue, dem Jugendstil nachempfundene Tür. Die prächtige, mit einer Marmorplatte abgedeckte Jugendstiltheke wurde 1993 Opfer des Jahrhunderthochwassers. Die Ladentür war ausgehängt worden und trieb mit den Fluten davon. Beschädigt und verdreckt wurde sie in Reil angeschwemmt und entsorgt. Ihr wahrer Wert war nicht erkannt worden. GKB

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