"So geht es voll ab in ein verkorkstes Leben!"

Wittlich · Sieben Angeklagte - sechs davon unter 18 Jahren alt. Sechs Verteidiger. Drei Vertreter der Jugendgerichtshilfe. Sie müssen zu jedem der sechs Jugendlichen ein Gutachten abgeben. Kein Wunder, dass sich der Prozess vor dem Amtsgericht Wittlich wegen einer Serie von Diebstählen, Einbrüchen und Sachbeschädigungen in Wittlich am Dienstag in die Länge zog.

"So geht es voll ab in ein verkorkstes Leben!"
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Wittlich. Es sind die letzten Worte, die Josef Thul, Vorsitzender des Wittlicher Jugendschöffengerichts, am Dienstagabend an die sieben Angeklagten richtet. "Keiner von euch hat je so lange ruhig gesessen wie heute bei Gericht", sagt er nach der mehr als acht Stunden dauernden Verhandlung, "Ihr seht: Es geht doch, ihr könnt euch benehmen!" Davon allerdings war Anfang des Jahres wenig zu merken.Von Randale bis zum Einbruch


Die sechs Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren randalierten, stahlen, brachen ein - teilweise angestiftet von einem 26-Jährigen, der erst im Februar nach einer dreijährigen Freiheitsstrafe aus dem Gefängnis entlassen wurde, sich aber schon Mitte Mai wieder hinter Gittern befand. Wie selbstverständlich wurden Türen eingetreten, Fenster eingeschlagen, Räder geklaut, Geld gestohlen. Respekt vor fremdem Eigentum? Fehlanzeige. Symptomatisch die Erklärung eines 16-Jährigen auf die Frage, warum er drei Fahrräder gestohlen hatte: "Das kam einfach so in meine Gedanken, dass ich ein Fahrrad brauche, weil ich so langsam zu Fuß bin."
Über Fälle von - wie Staatsanwalt Wolfgang Spies zusammenfasst - "jugendlichem Unsinn" bis zur "mittleren Kriminalität" hat das Gericht zu entscheiden (siehe Extra). Die Fälle: allesamt eindeutig, denn die Angeklagten legen Geständnisse ab. Weniger eindeutig für das Gericht ist allerdings die Entscheidung, in welcher Form insbesondere die sechs jugendlichen Täter zur Verantwortung gezogen werden sollen. Oder, wie Staatsanwalt Spies formuliert: "Das Besondere am Jugendstrafrecht ist ja, dass jeder kriegen soll, was er braucht, und nicht das, was er verdient."
Bei dem 26-jährigen Angeklagten dagegen ist die Sache für das Gericht glasklar: Zwei Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung heißt es am Ende für den Wiederholungstäter, der zwar während seines letzten Gefängnisaufenthaltes eine Ausbildung geschafft hat, dann aber seine Chance laut Richter Thul während der wenigen Wochen in Freiheit "glorreich versiebte". Ebenfalls hinter Gitter muss ein zur Tatzeit noch 14-Jähriger. Er hatte bei fast allen angeklagten Vorfällen seine Finger mit im Spiel. Dennoch hätte auch er mit einer Bewährung davonkommen können. Doch selbst nach seiner vorläufigen Festnahme im Mai beging er in zwei Heimen, in denen er anschließend untergebracht war, weitere Straftaten. Anfang Juli kam er daher in U-Haft. "Läuft ganz gut da", sagt der heute 15-Jährige vor Gericht. Zu eineinhalb Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung wird er verurteilt. Für den Jugendlichen eine Chance, wie Richter Thul betont: Er könne in der Jugendstrafanstalt seinen Hauptschulabschluss nachholen.
Ein Jahr Jugendstrafe mit Bewährung bekommt dagegen ein weiterer Jugendlicher, der zwar bei ähnlich vielen Taten mit dabei war, aber seit den Vorfällen keine Straftaten mehr begangen haben soll. Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe stuft den 16-Jährigen, der an einer ausgeprägten emotionalen Entwicklungsstörung leidet, als typischen Mitläufer ein.
Bei einem weiteren 15-Jährigen, der bei einem Autoklau und zwei Einbrüchen dabei gewesen sein soll, setzt das Gericht die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung aus. Er muss 40 Sozialstunden absolvieren. "Wir beobachten dich", gibt Richter Thul ihm mit auf den Weg: "Wenn du so weitermachst, geht es voll ab in ein verkorkstes Leben!" Drei weitere Jugendliche, die nur an einer oder zwei Taten mitgewirkt hatten, verwarnt das Gericht und ordnet 80 beziehungsweise 100 Sozialstunden an.Extra

Im Februar randalierten drei Angeklagte in der Wohnung einer Schulkollegin. Die Jungen traten Türen ein, beschädigten mit einer Axt den Fernseher und hinterließen in der Couch ein Brandloch. Im Mai fuhren zwei Jugendliche auf einem Gelände einer Wittlicher Firma mit einem Gabelstapler derart wild herum, dass dessen Achse abriss. Zudem drangen die beiden im Mai ein weiteres Mal auf das Firmengelände ein, brachen in einen Bauwagen ein und klauten den Radlader: Bei ihrer Spritztour beschädigten sie ein Feuerwehrhaus, Schranken und Verkehrszeichen. Ebenfalls im Mai stahl der 14-Jährige im Auftrag des 26-Jährigen drei CDs aus einer Drogerie in Wittlich. Sein 15-jähriger Kumpel entwendete im Mai zudem drei Fahrräder. Fünf Angeklagte, darunter der 26-Jährige, stiegen zudem im Mai in eine Wohngruppe in Wittlich ein und stahlen Geld und einen Laptop. Im Mai warfen drei von ihnen die Scheibe eines Getränkeladens ein und klauten dort Zigaretten. Im Auftrag des 26-Jährigen stahlen drei Jugendliche ein Auto in Wittlich und fuhren nach Manderscheid. Auf der Fahrt dorthin bauten sie einen Unfall. Am selben Abend stiegen die vier in zwei Geschäfte in Manderscheid ein, stahlen Geld, einen Fernseher und Kameras. neb

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