Heimat und Genuss So schmeckt Weihnachten im Hunsrück

Weihnachten ohne Geschenke? Kein Problem. Weihnachten ohne Baum? Schon schwieriger. Weihnachten ohne Zimtwaffeln? Unmöglich. Und es dürfen auch nicht irgendwelche Zimtwaffeln sein, sondern – natürlich – selbstgemachte.

 Foto: Christoph Strouvelle

Foto: Christoph Strouvelle

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Und auch nicht irgendwelche selbstgemachten, sondern Zimtwaffeln nach Hunsrücker Rezept, die über dem offenen Feuer gebacken werden. So ist das zumindest in der Familie, in die ich eingeheiratet habe. Zum Zimtwaffelbacken kommt die ganze Familie zusammen. Gebacken wird in der vierten Generation. Für einen Tag treffen sich alle Geschwister inklusive Partnern und Kindern im Hunsrück.

Vorsichtig öffnet Schwägerin Margret das Waffeleisen und prüft die Farbe des Teiges. „Die Waffeln brauchen noch etwas“, beschließt sie. „Nein, schau doch mal, auf der anderen Seite sind sie doch schon dunkel“, antwortet ihr Lebensgefährte Hermann. „Schnell, schnell, sie müssen raus.“ Rasch nimmt er das Teigstück mit den sechs verschiedenen Ornamenten heraus und zerschneidet es in sechs Teile.

Allerdings wohl nicht schnell genug. Der Meinung ist zumindest Hermanns Bruder Christoph, meine bessere Hälfte: „Die müssen schneller geschnitten werden, sonst sind sie schon zu hart.“ Am Feuer, so hat es den Anschein, stehen sieben Experten und ein Laie. Das bin ich. Denn ich habe die geringste Erfahrung von allen. Die Stimmung ist gut. Es wird viel gelästert – nicht nur über mich.

Dabei hat es lange gedauert, bis ich mich an die Feuerstelle getraut habe. Mein erster Versuch vor Jahren war ziemlich entmutigend. Damals sollte ich meinem inzwischen verstorbenen Schwiegervater zur Hand gehen.

Das Arbeiten mit dem schweren und heißen Eisen will allerdings gekonnt sein. Doch davon konnte bei meinem ersten Versuch nicht die Rede sein. Der Schwiegervater nahm mir kurzerhand das Eisen wieder ab. Bis zum nächsten Versuch gingen ein paar Jahre ins Land. Inzwischen habe natürlich auch ich den Dreh raus.

Das Waffeleisen ist ein Familienerbstück, mehrere Generationen haben damit bereits gearbeitet. Gebacken wird an einem weiteren Erbstück, einem alten Küchenherd, der mit Holz befeuert wird und der nur noch einmal im Jahr zum Einsatz kommt.

Die Familie trifft sich bereits am Vorabend. In gemütlicher Runde wird aus den Zutaten ein Teig gemacht. Nur um die Größenordnung einschätzen zu können: Verarbeitet werden unter anderem zehn Kilogramm Mehl, fünf Pfund Butter sowie Margarine und 40 Eier. Wundert sich da jemand über die Mengen? Sie sind Ausdruck der großen Beliebtheit des Weihnachtsgebäcks im Familien- und Freundeskreis.

Die Küchenmaschine hat schwer zu schaffen. Kein Problem, den letzten Schliff bekommt der Teig ohnehin per Hand. Und auch danach geht es mit Handarbeit weiter. Denn aus dem Teig werden kleine Kugeln gerollt, ungefähr so groß wie Mirabellen.

Das macht am nächsten Tag das Portionieren im Waffeleisen leichter. Doch eine Nacht lang sollte der Teig im Kühlschrank ruhen.

Sechs Kugeln kommen tags drauf auf das erhitzte Waffeleisen, das geschlossen und mehrfach gewendet wird. Haben die Waffeln die richtige Farbe und Konsistenz, werden sie vom Eisen auf ein Holzbrett bugsiert und dort, wie bereits erwähnt, rasch auseinandergeschnitten.

Nach dem Erkalten werden sie in Keksdosen gefüllt und lagern dort am besten mehrere Wochen. Denn sie brauchen Zeit, bis sie den richtigen Geschmack und Duft entwickeln.

Doch noch mal zur Familientradition: „Ich habe keine Kindheitserinnerungen an das Backen“, bedauert Schwägerin Trudel. An Weihnachten habe das Gebäck einfach in der Plätzchenschale gelegen. Und wo es herkommt? Ihr sei früher gesagt worden: „Das Christkind hat sie gemacht.“

 Heute ist ihr das gemeinsame vorweihnachtliche Backen sehr wichtig, fast wie ein Ritual – wegen der Familie und natürlich auch wegen der Plätzchen.

Das geht auch meinem Mann so: „Für mich ist das Zimtwaffelbacken ein echtes Gehaichnis.“ Und ein Gehaichnis ist wohl das Schönste, was sich ein Hunsrücker vorstellen kann. Ilse Rosenschild

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