Sogar der Eisvogel ist wieder da

Wittlich/Koblenz · Vor 15 Jahren begann die Renaturierung der Lieser. Mit einem umfassenden Programm sollte der Fluss wieder für Fische und Kleintiere durchgängig gemacht werden. Der Wittlicher Joachim Gerke ist bei der SGD Nord in Koblenz für das Programm zuständig. Bis der Lachs es schließlich nach Wittlich schafft, muss aber noch die Mosel durchgängig gemacht werden.

Wittlich/Koblenz. Vögel zwitschern im Sonnenlicht einer Lichtung bei der Schladter Mühle, die nur mit geländegängigen Fahrzeugen zu erreichen ist. Ein idyllisches Bild. Tags zuvor gab es Dauerregen in der Manderscheider Gegend - Wasser rauscht durch ein Wehr der Lieser, die sich durch das Tal an der Mühle entlang schlängelt. Joachim Gerke präsentiert stolz das Ergebnis einer langwierigen Renaturierungsaktion. Gerke ist bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord für den Gewässerschutz zuständig. Er hat das Projekt Aktion Blau lange Jahre mitgetragen und zieht im Gespräch mit dem TV über eine der ersten Maßnahmen eines europaweiten Projekts, das vor fünfzehn Jahren begonnen hat, Bilanz.

Vor rund fünfzehn Jahren begann die Aktion Blau, bei der die Lieser renaturiert wurde. Welche Maßnahmen haben in dieser Zeit stattgefunden, und was hat die Maßnahme insgesamt gekostet?
Joachim Gerke: Der Landkreis konnte damals Gelder aus Fördermitteln der Europäischen Union (Leader-Programm) nutzen. Daraufhin wurde beschlossen, mit dem Geld die Lieser durchgängig zu machen. Voraussetzung war, dass die Maßnahme innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen ist. Dabei wurden sämtliche Wehre umgebaut. Manche konnten komplett abgerissen werden, wie an der Ahbachsmühle in Wittlich. Andere Wehre wiederum wurden mit Fischaufstiegstreppen oder rauen Rampen versehen, wie zum Beispiel in Wittlich an der Feuerwehrwache. Das gesamte Projekt hat 1,4 Millionen Euro gekostet. Dabei wurden 15 Wehranlagen umgebaut und im Vulkaneifelkreis zahlreiche kleine Projekte zur Herstellung der Durchgängigkeit an den Nebengewässern umgesetzt.

Müssen Gewässer für Fische in beide Richtungen passierbar sein?
Gerke: Ja, richtig. Das ist heute eine wichtige Aufgabe gerade bei Wasserkraftanlagen, die in Betrieb sind. Die Fische, wie die abwandernden Lachse und Aale, müssen von den Turbinen ferngehalten werden. Damals war der Abstieg noch kein Thema. Aber auch die Anbindung der Nebengewässer ist wichtig. Dort sind nämlich wichtige Laich-Habitate. Abstürze im Mündungsbereich oder zu kleine Rohrdurchlässe verhindern den Aufstieg der Fische in diese Gewässer.

Neben der Lieser wurden weitere Flussläufe bearbeitet. Derzeit laufen Arbeiten an der Alf. Wie ist der Stand der Dinge, und wann ist das Projekt komplett abgeschlossen?
Gerke: An der Lieser sind wir im Grunde genommen noch nicht fertig. Denn die Gewässerstrukturen kann man auch hier noch verbessern. Dazu gibt es zum Beispiel das Stadt-am-Fluss-Konzept der Stadt Wittlich. Auch die Alf wird bald bearbeitet.

Wie hat sich die Gewässerqualität der Lieser und umliegenden Wasserläufen seitdem entwickelt?
Gerke: Die Gewässerqualität wird heute anhand verschiedener biologischer Komponenten bestimmt. Dieses sind neben Kleinlebewesen am Gewässerboden auch die Wasserpflanzen, Algen und Fische. Veränderungen passieren langsam. Grundsätzlich ist aber in der Lieser eine Tendenz zum Besseren zu beobachten. Der chemische Zustand ist gut. Aber in fließende Gewässer, wie auch in die Lieser, wird auch geklärtes Abwasser geleitet. Deshalb kann man in Fließgewässern keine Trink- oder Badewasserqualität erreichen.

Gibt es besondere Tier-/Pflanzenarten, die sich wieder neu angesiedelt haben?
Gerke: In zwei Nebenläufen der Lieser haben wir interessante Beobachtungen gemacht: im Bieberbach und im Schattengraben. Der Bieberbach entspringt bei Bausendorf und mündet in Platten in die Lieser. Der Schattengraben kommt von Flußbach und mündet bei Wengerohr in den Bieberbach. Beide Bäche sind renaturiert worden - der Schattengraben lief vorher im Betonbett. Innerhalb kurzer Zeit hat sich hier ein wesentlich größeres Artenspektrum angesiedelt. Neben Pflanzen und Fischen haben sich auch seltene Vogelarten wie das Braunkehlchen und der Eisvogel wieder angesiedelt, die unter anderem von Organismen leben, die im Wasser vorkommen. Eisvögel sind übrigens auch in Wittlich in der Himmeroder Straße an der Brückenmühle zu sehen.
Die Moselstaustufen stellen für Fischarten offenbar immer noch ein entscheidendes Hindernis dar. Gibt es Pläne, auch hier für mehr Durchgängigkeit zu sorgen?
Gerke: Ja, es gibt den Plan, sämtliche Staufstufen bis Trier fischdurchlässig zu machen, damit Lachse wieder über den Rhein und die Mosel in die Laichgewässer einschwimmen können. Eine erste Fischtreppe ist an der Staustufe in Koblenz angelegt, die zweite Anlage in Lehmen soll in Kürze gebaut werden.
Dann kann mit dem Elzbach das erste Laichgewässer im Einzugsgebiet erreicht werden. Das gesamte Projekt wird aber bis mindestens 2027 dauern. Es ist eine Aufgabe der Wasserschifffahrtsverwaltung, die SGD Nord hat Planung und Bau als Auftrag übernommen. hplExtra

Früher sind Bäche und Flüsse in ihrem natürlichen Bett durch die Landschaft geflossen. Vor über 40 Jahren dachten aber viele Leute, dass es gut sei, die Bäche in ein Beton-Bett zu leiten. Damals dachte man, dass das Wasser bei starkem Regen besser abfließen kann und es dadurch kein Hochwasser gibt. Aber dadurch konnten sich viele Fische nicht mehr ansiedeln, weil es kaum Pflanzen im Bachbett gab, an denen sie ihre Fischeier ablegen können. Außerdem floss das Wasser zwar schneller ab, aber es staute sich dann am unteren Ende des Bachs. Deshalb wird das nun alles rückgängig gemacht. Die Betonröhren werden herausgenommen. Das nennt man "Renaturierung". hplExtra

Der Wittlicher Joachim Gerke ist ausgebildeter Ingenieur und Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz. hplExtra

Seit 1994 hat das Land die Renaturierung von rund 1000 Gewässern mit einer Gesamtlänge von 4200 Kilometern mit Mitteln aus dem Programm Aktion Blau unterstützt. Im Landkreis wurde unter anderem die Renaturierung des Dörrbachs bei Großlittgen oder des Brühlbachs bei Morbach finanziert. In diesem Jahr steht die Aufwertung des Oestelbachs bei Osann-Monzel und des Thalfanger Bachs an. Die Aktion Blau soll dazu führen, dass Gewässer und Auen wieder ein gutes Selbstreinigungs- und Regenerationsvermögen haben, über einen typischen artenreichen Tier- und Pflanzenbestand verfügen, dem Hochwasserschutz dienen und Forelle und Lachs wieder die Möglichkeit geben, sich anzusiedeln. Im Jahr 2011 wurde die Aktion Blau um verschiedene "Plus"-Punkte erweitert. Die neue Aktion Blau Plus soll künftig bei Renaturierungsmaßnahmen die kommunale Entwicklung, den Denkmalschutz, die Landwirtschaft, den Naturschutz und die Umweltbildung miteinander vernetzen. Zudem werden die Menschen vor Ort verstärkt eingebunden. Mit der Aktion Blau Plus sollen bis zum Jahr 2015 rund 110 Millionen Euro in die Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz investiert werden. hpl

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