Spätes Glück an der Orgel

BRUCH. Johann Valerius wird am 4. August 80 Jahre alt. Am Tag danach wird der Organist von Bruch und Gladbach wieder an der Orgel sitzen: zur Hochzeit seines Enkelkindes.

Er ist ein Spätberufener, zumindest, was die Kirchenmusik betrifft. Was die Alten noch wissen: Der Vater von Johann Valerius, dem heutigen Organisten von Bruch und Gladbach, der auch in anderen Ortschaften zu Taufen oder Beerdigungen die Orgel spielt, war einst selbst Organist und Chorleiter. Sein Talent hat der Sohn geerbt. Doch Vater Matthias hatte ihm das Orgelspiel nie beigebracht, obwohl der bereits als Fünfjähriger eindeutige Ambitionen gezeigt hatte. "Das kann ich ihm bis heute nicht richtig verzeihen", sagt der Mann, dem auch die zweite Chance mit der Musik genommen wurde, und zwar vom eigenen Onkel, einem "dicken" Bauern im Dorf. Als der Vater seinen Ältesten Anfang des Krieges an der Heeresmusikschule in Königsberg angemeldet hatte, intervenierte der Onkel. Er brauchte Johann als billige Arbeitskraft, und er bekam ihn. Vor 15 Jahren endlich, als 65-Jähriger Pensionär, kaufte sich Johann Valerius Noten und ließ sich als Autodidakt auf dieses schwierige Instrument ein. Im Jahr 1981 ging Valerius in den Ruhestand und übernahm fast übergangslos den Küsterdienst in seiner Pfarrei. "Gestern wurde ich Rentner, und am Tag danach fragten sie mich, ob ich Küster werde", erinnert er sich. Als dann 1991 der Brucher Organist ausfiel, griff der für seine Resolutheit bekannte Pastor Gerhard Wax aus Bergweiler ein. Wax vertrat gerade den örtlichen Geistlichen und wusste um das heimische Keyboard, an dem Valerius bis heute spielt - mit Kopfhörern, um nur ja niemanden zu stören. "Am Sonntag sitzt du hier an der Orgel", hatte Wax mehr befehlend als bittend gesagt und damit den Grundstein zu dieser späten Aufgabe gelegt, die dem alten Herrn so wichtig geworden ist. "Kirchenmusik ist schwer." Das wusste Valerius, als er den Job übernahm. Er übte nächtelang, bevor er sich das erste Mal heranwagte. Längst steigt er die gefährlich schmalen Stufen in der Brucher Kirche wie im Schlaf hinauf und macht sich Sorgen um die, die ihn hinaufbegleiten, nicht aber um sich selbst. "Auch wenn es ihm manchmal die ganze Woche schlecht geht: Sonntagsmorgens ist er fit", berichtet die Tochter lachend. Der TV gratuliert Johann Valerius zum 80. Geburtstag und wünscht ihm noch viele schöne Jahre an "seiner" Orgel in Bruch, wo ihm ganz besonders die Marienlieder im Mai gefallen. Doch zuerst einmal ist eine Hochzeit angesagt: Am Tag nach seinem Geburtstag heiratet sein Enkelkind. An der Orgel sitzt - Ehrensache - der Großvater.