Spannender Exkurs durch zwei Jahrhunderte

Seit Januar 1810 gibt es die Gesellschaft Casino zu Trarbach (der TV berichtete mehrfach), und ein spannender Exkurs durch zwei bewegte Jahrhunderte bietet sich beim Blick in das Goldene Buch, das die Gesellschaft bei ihrer Gründung anlegte. Darin finden sich viele Verse, prominente Namen und bemerkenswerte Einträge zu den Wein- und Lebensmittelpreisen während des Ersten Weltkrieges.

 Richard Ochs zeigt hier das Goldene Buch der Gesellschaft Casino zu Trarbach 1810, das vor 200 Jahren angelegt wurde. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Richard Ochs zeigt hier das Goldene Buch der Gesellschaft Casino zu Trarbach 1810, das vor 200 Jahren angelegt wurde. TV-Foto: Gerda Knorrn-Belitz

Traben-Trarbach. Am 7. Oktober 1836 hat sich Kronprinz Friedrich Wilhelm IV., der spätere König von Preußen, in das schwere Buch mit dem schweinsledernen Einband eingetragen. Ein Regierungs-Vizepräsident, Kammergerichts-Referendar, Staatsminister, Landrathsamtverwalter, Amtsrichter, Oberjustitiar, Oberbergrath, Hof-Opernsänger, Theater-Director, Amtsgerichtsrath, Generalmajor, Besucher aus New York, Riga und Antwerpen, der Kegelclub aus Neviges und der Cassler Alpenclub, das Süddeutsche Cornet-Quartett und der Prinz von Ratibor, der Kölner Männer-Gesangverein, Kurgäste aus Bad Wildstein, der Berliner Architekt Bruno Möhring und der Konsul von Haiti, ein Professor aus Danzig, der Dichter Julius Wolff, der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel, Kai Uwe von Hassel, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Verteidigungsminister Manfred Wörner - sie und viele Hundert Menschen mehr haben sich im Goldenen Buch verewigt.

Dem gastfreundlichen Casino und dem ebensolchen Trarbach wird in den 1870er Jahren gedankt, und 1892 schreibt ein Gerichtsreferendar in griechischer Schrift "Etwas Besseres wie Traben? Etwas Bessres kann man gar nicht haben. Quartier und Wein - das muß so ungefähr das Beste sein". Im Februar 1898 traf sich das "Preisgericht zur Beurtheilung der Wettbewerbs-Entwürfe für den Neubau einer Moselbrücke in Trarbach" im Casino, fünf Wochen später lautet der Eintrag: "Es lebe der Brückenbau und die Zufuhrwege".

"Es lebe Ihr Casino", schreiben zwei Offiziere im Jahr 1900, und 16 Jahre später nennt Clemens Gescher, Leiter des Amtsgerichts von Traben-Trarbach, Verfasser von Aufsätzen und Gedichten und langjähriger Direktor der Casinogesellschaft, die Lebensmittelpreise zu Kriegszeiten. "Speck, wenn man's kriegt, sechs bis sieben Mark das Pfund", ein Ei kostete 50 Pfennige, ein Stück Seife fünf Mark, und für einen Liter Nussöl waren bis zu 25 Mark zu berappen. Im August 1918 mussten für ein Paar wollene Knabenstrümpfe 17 und für Herrenschuhe 80 Mark gezahlt werden, ein Pfund Tee kostete 40 Mark gegenüber drei Mark zu Friedenszeiten, Rotkohl fünf Mark gegenüber 40 Pfennigen.

Im November 1918 "wurden die Waffenstillstandsbedingungen im Casino bekannt. Uns Alten traten die Tränen in die Augen. Finis Germaniae! Das Ende des ruhmreichen Deutschen Kaiserreiches! Wer in ihm gelebt hat und groß geworden ist, der verliert seine Heimat und seine Lebensfreude, sein Vaterland! Ob die kommende Zeit noch ein neues bringt, wer weiß es. Es war ein trüber Tag, draußen und im Casino!", beschreibt Gescher die damalige Situation.

Extra Teure Schoppen Clemens Gescher schildert im Goldenen Buch der Casino-Gesellschaft auch die damaligen Weinpreise. Mussten im Herbst 1915 an der Mittelmosel für ein Fuder 300 Mark bezahlt werden, so waren im De zember bereits 750 Mark zu berappen, und 1916 kam der billigste Moselwein auf 2670 Mark für das Fuder. "Das meiste geht an die Front, wo jeder Preis gezahlt wird", schreibt Gescher. Im Juni 1917 waren "allgemein vier Mark für die Flasche 1915er" zu bezahlen. Für das Fuder 1916er "wird 3500 Mark und mehr verlangt. Wer kann da noch dem Bacchus treu bleiben?", klagt der Verfasser. Die Weinpreise stiegen stetig. "Das Viertelchen kostet 1,20 Mark, vor dem Kriege 20 bis 25 Pfennig", berichtet Gescher. Preise von 10 000, 12 000, 15 000 Mark für einzelne Fuder "kommen oft vor". Die Casino-Gesellschaft hatte noch 1915 drei Fuder "guten Zeltinger für je 655 Mark und zwei Fuder Clüsserather Königsberg (je 650 Mark)", erworben, schreibt Gescher und ergänzt: "Diese Weine werden nur im Casino selbst verabreicht". (GKB)

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