SPD möchte ein Armutszeugnis vom Kreis

Wittlich · Mehr als 3100 Menschen leben im Kreis von Hartz IV, rund 1300 Kunden erhalten von der Wittlicher Tafel nahezu umsonst Lebensmittel. Angesichts solcher Zahlen fordert die SPD im Kreistag einen Armutsbericht, den die Kreisverwaltung anfertigen soll. Mit diesem Wunsch war die Fraktion schon einmal gescheitert.

Wittlich. Bei St. Martin war das noch eine einfache Sache. Der Bettler, der da im Schnee lag, war ein armer Mann. Der hatte keine Kleider, sondern Lumpen an. Knapp 1700 Jahre nach der legendären Begegnung Martin von Tours mit einem mittellosen Menschen ist es ungleich schwerer, Armut zu erkennen oder zu bekämpfen. Eben diese beiden Ziele will die SPD-Kreistagsfraktion mit einem Armutsbericht erreichen: Armutsursachen sollen erhoben, Probleme erkannt und den betroffenen Menschen mit allen dem Kreis zur Verfügung stehenden Möglichkeiten geholfen werden. So steht es im Antrag für die Sitzung des Kreistags.
Taten statt Sonntagsreden


Schon einmal wollten die Sozialdemokraten, dass die Kreisverwaltung einen solchen Bericht verfasst. Doch im Jahr 2008 fand sie dafür im Kreistag nicht genügend Unterstützung. Gegen solch einen Bericht sprach aus Sicht der Mehrheit, dass der Kampf gegen Armut eine stete Aufgabe sei und man im Landkreis den Sonntagsreden längst Taten habe folgen lassen.
Ob dem so ist, lässt sich schwer nachweisen. Denn Armut ist wie ein scheues Reh, in Lumpen muss heutzutage niemand mehr herumlaufen. Bettelnde Menschen ohne richtige Kleidung finden sich glücklicherweise an keinen Stadttoren mehr.
Armut ist schwer greifbar und meist unsichtbar. Trotzdem: Einige Zahlen zeigen, dass es im Kreis viele Menschen gibt, die an der Schwelle zur Armut stehen oder schon arm sind. Die Caritas spricht in ihrem Jahresbericht von 1300 Menschen, die sich mit Nahrungsmitteln bei der Wittlicher Tafel versorgen. Die Kunden sind hauptsächlich Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose, Asylanten, Menschen mit kleiner Rente oder geringem Einkommen, Eltern mit mehreren Kindern sowie Alleinerziehende. Außerdem meldet die Organisation einen gleichbleibend hohen und weiter steigenden Bedarf an Schuldnerberatungen.
Auf Rosen gebettet sind auch die Menschen nicht, die von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und in sogenannten Bedarfsgemeinschaften leben. Nach den neuesten Zahlen leben im Kreis 3183 Menschen in Bedarfsgemeinschaften und sind von staatlicher Hilfe abhängig. 918 davon sind Kinder unter 15 Jahren. Insgesamt leben im Landkreis knapp 110 000 Menschen.
Jenseits dieser nackten Zahlen stellt sich die Frage, wie der Landkreis Menschen helfen kann, die von Armut bedroht sind. Abgesehen von der Linderung der finanziellen Armut haben nach Auskunft von Manuel Follmann, Sprecher der Kreisverwaltung, "die Landkreise kaum eine Möglichkeit, eigene Hilfsangebote bereitzustellen, weil ihnen die erforderliche Regelungskompetenz fehlt." Auf der Ebene der Landkreise gehe es meist darum, bundes- und landesgesetzliche Regelungen zur sozialen Sicherung auszuführen und im Rahmen der Bewilligung von Transferleistungen bedürftigen Menschen zu helfen. "Über weitergehende Kompetenzen, beispielsweise zur eigenständigen Entwicklung darüber hinausgehender sozialer Hilfen zur Bekämpfung von Armutsrisiken und die dazu erforderlichen finanziellen Ressourcen verfügt der Landkreis nicht."
Wäre also anstelle von Martin ein Vertreter des Landkreises damals am Stadttor von Amiens in Frankreich auf den armen Mann gestoßen, hätte dieser weiter frieren müssen. Denn der Bote des Kreises hätte wohl erstens aus Geldmangel keinen Mantel gehabt und hätte zweitens diesen gar nicht teilen dürfen.

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