Spritzig, witzig, melancholisch

WITTLICH. Dieser Tage ist die lokale Fastnacht in aller Munde, denn die Wittlicher Narrenzunft feiert Geburtstag. Ihre Vorläufer waren die "Blauen Funken". Klaus Brand war das Herzstück, kreativer Kopf und Präsident.

"Wenn Fosenocht kimmt, da sain mir do. Un sain de Zeiden noch su schroo." Der diese Zeilen dichtete, konnte von "schrooen Zeiden" ein Lied singen. Klaus Brand hat nicht nur die guten Zeiten erlebt. Kreativ war er jedoch immer. Malen, schreiben, Reden halten und Lieder singen: Seine Talente waren zahlreich. Nur eines war er , wie die meisten kreativen Menschen, ganz sicher nicht: ein guter Geschäftsmann. So sieht ihn jedenfalls seine Tochter. Wenn Karin Brand-Picard von ihrem 1966 verstorbenen Vater erzählt, heißt er nur "mein Papi". Sie sagt es sehr liebevoll. Eine ihrer stärksten Erinnerungen an den Gründer der Wittlicher "Blauen Funken 1927" ist das Heftchen und der Stift, die ihn stets begleiteten. Auch auf dem Nachttisch lagen sie. "Nachts kommen einem ja die besten Ideen", meint die Tochter. Spontan niedergeschriebene Textzeilen wuchsen rasch zu ganzen Stapeln von Liedern und Vorträgen, die er alljährlich in der Fastnachtszeit zum Besten gab. Mal im Café Niles bei Schwägerin Ella (die Tochter: "Da haben wir Stühle aus der ganzen Alt-Neugass zusammengetragen"), mal im Saal bei Pitta Scholtes, im Haus Mehs (die "Trierische Volkszeitung" schrieb im Februar 1949, dass es voll war "wie in der Ölsardinenbüchse") oder in der Kaienburg. An historischen Plätzen eben, so wie es zu dieser historischen Figur passt, von der Marianne Baumüller-Scherl im Nachlass ihres Vaters Hanns Scherl noch Skizzen gefunden hat. Offenbar war einst von offizieller Seite eine Brand'sche Skulptur angedacht gewesen. Warum es nie zur Realisierung kam, weiß Karin Brand-Picard nicht. Verdient hätte er es, findet sie, und damit steht sie nicht allein. Auch andere geraten ins Schwärmen, wenn sie an Brands Texte denken. Da ist die Hymne auf seine Muttersprache, die vermutlich 1953 für das Treffen der 50-Jährigen entstanden ist: Mit unendlicher Liebe zum Detail erzählt er Geschichten von früher, was zum Beispiel einen Willi Waxweiler fasziniert, der vielleicht etwas weniger lyrisch, aber mit der gleichen Liebe zum Detail Wittlicher Historie festhält. Auf der Bühne war Brand ein Mann mit witzigen Einfällen, spritziger Gestaltungsgabe und lockerer Zunge, wie ein Artikel der "Trierischen Volkszeitung" vom Januar 1949 belegt. Privat war der "Prinz Karneval" vom Rosenmontagszug 1929 - er zog bei 19 Grad Kälte durch die Gassen - jedoch ein Mann von tiefer Melancholie. Politische Wirren erschwerten sein Leben. Bis 1939 Mitglied des Stadtrats, wurde er 1943 von den Nazis verhört. Regierungskritische Reden sollte er geschwungen haben. 1946 verhafteten ihn die französischen Besatzer, die ihn mitten aus einer privaten Fastnachtsfeier herausgeholt hatten. Zwei Jahre später erst kam er aus Diez zurück; der Karneval hatte ihn wieder, die "Blauen Funken" feierten Auferstehung. Das legendäre "Ihr krett och Mäusja", seit 1949 der ultimative Wittlicher Fastnachtsschlager, entsprang der Feder von Klaus Brand. Wie immer hatte er, auch für die heutige Generation nachvollziehbar, den Nagel auf den Kopf getroffen: Nichts beschönigend und dennoch ungeschlagen humorvoll besingt er jenes Deutschland, das zu neuem Leben erwacht, und macht es fest an den "en da Büsch" gesammelten Bucheckern: "denn mir hon jo wieda Ohlich en da Küch!" Mitte der 50er Jahre wurden aus den "Blauen Funken" die "Rot-Weißen". Ein Jahr lang war Klaus Brand dort noch aktiv, bevor er sich als Allround-Talent ganz ins Café Niles zurückzog. Die Plakate dieser bunten Abende und "Milljunen" anderer Dokumente und handschriftlicher Originale hat Karin Brand-Picard archiviert.

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