Stadt Wittlich duldet schweigende Bettler

Wittlich · Ihre Gesichter und Lieblingsstandorte kennt der Stadtbummler: Bettler knien in Wittlichs Einkaufsstraßen und bitten stumm um Geld. Aus Sicht der Verwaltung ist das in Ordnung. Dass mancher das als unangenehm empfinde, sei kein Grund, dagegen vorzugehen.

Wittlich. Sie tragen ein Tuch ums Haar, am kühlen Morgen mehrere Hosen übereinander und knien regungslos auf einem Polster. Sie machen sich klein. Auffallen tun sie trotzdem. In der Hand halten sie einen Becher, sie warten auf Spenden.
So auch die Frau mit der Trainingsjacke, die vergangene Woche noch am Marktplatz ausharrte und nun an der Post kniet. Spricht man sie an, lächelt sie. Ein sorgsam aufgesteckter Knoten aus ihrem langen, schwarzen Haar ist ihr einziger Schmuck. "Ungarn", sagt sie und gibt zu verstehen, dass sie nichts versteht. Sie will kein Gespräch. Keinen der Menschen, die sie im Vorbeihasten manches Mal misstrauisch beäugen, spricht sie selbst an, um um Geld zu bitten. Ihre Geste und Haltung sprechen für sich: Die Frau ist eine Bettlerin. Höchstens Kinder stoppen, machen große Augen und fragen: "Was macht die Frau da?"
Die Frau ist nicht allein nach Wittlich gekommen: Eine Handvoll dieser Menschen, die sich den Stadtbesuchern stets alle gleich kniend und stumm zeigt, ist alle paar Tage in Wittlich: An Post, Einkaufszentrum, in der Burgstraße, am Rande des Marktplatzes sind ihre bevorzugten Standorte. Seit fast zwei Jahren gehören sie zum Stadtbild. Ein Rentner, der den Gesprächsversuch mit der Frau beobachtet, sagt im Vorbeigehen: "Die kommen morgens früh mit dem Auto, schon bevor die Geschäfte aufmachen. Das habe ich selbst gesehen." Dann geht er weiter, schüttelt den Kopf.
Manchen Passanten stört der Anblick der bettelnden Menschen. Davon berichtet eine Geschäftsfrau bei der Versammlung der Einzelhändler: "Es sitzen Bettler vor den Läden, die werden zusammen angekarrt mit einem Wagen. Manchen Kunden ist das Betteln unangenehm. Macht die Stadt was dagegen?" Auf TV-Nachfrage sagt Ulrich Jacoby, Pressesprecher der Stadtverwaltung: "Es ist bekannt, dass die Bettler sich von Zeit zu Zeit an verschiedenen Orten in der Stadt positionieren, um ihrer Beschäftigung nachzugehen. Dabei erfolgt das Betteln ohne Ansprache von Passanten." Das sei aus Verwaltungssicht in Ordnung, denn das gilt nicht als sogenanntes "aggressives Betteln". Dann greife die sogenannte "Gefahrenabwehrverordnung" der Stadt Wittlich. Dann gebe es Platzverweise.
Ansonsten würde die Stadt die Identität der Bettler feststellen lassen. Im Übrigen gelte: "Beschwerden wurden bisher nicht an uns herangetragen, die Bettler werden eher als unangenehm empfunden. Dies ist aber ordnungsrechtlich kein Grund, gegen sie vorzugehen." sos

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