Vater und Sohn machten mit Ein Leben retten in vier Stunden – Zwei Männer berichten von ihren Stammzellenspenden

Trier/Wittlich/Bitburg · In Deutschland erkranken laut der Deutschen Krebsgesellschaft pro Jahr etwas mehr als 11.400 Menschen an Leukämien. Für viele ist eine Stammzellentransplantation die letzte Rettung. Wir haben mit zwei Spendern gesprochen.

 Jannik Schmitt bei seiner Stammzellenspende im Jahr 2021 in Köln. Rund vier Stunden hat der Vorgang gedauert. Foto: Joshua Schmitt

Jannik Schmitt bei seiner Stammzellenspende im Jahr 2021 in Köln. Rund vier Stunden hat der Vorgang gedauert. Foto: Joshua Schmitt

Foto: TV/Joshua Schmitt

Müde waren sie beide, als sie die Klinik in Köln verließen. Jeweils etwa vier Stunden waren Helmut und Jannik Schmitt, Vater und Sohn, dort. Beide haben in der Domstadt, unabhängig voneinander und zeitlich getrennt, Stammzellen gespendet: Vater Helmut (60) im Jahr 2013, Sohn Jannik 2021.

Während sich Helmut Schmitt bei einer Aktion 15 Jahre vor seiner Stammzellenspende hat typisieren lassen, hat sich Jannik wie sein Zwillingsbruder Joshua bei der DKMS (siehe Info) direkt registriert. Per Post kamen die dazu nötigen Utensilien, die sie zuvor angefordert hatten. „Direkt, als wir 18 Jahre alt waren, haben wir uns registrieren lassen“, sagen die Zwillinge. Zuerst Joshua, dann Jannik. Damit entsprechen die beiden dem Trend: In Deutschland ist die Zahl der neu geworbenen Spender bei Menschen unter 20 Jahren am höchsten im Altersverlauf, so die Erhebung des Zentralen Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD, siehe Info). Aus der Familie, die im Hochwald lebt, sind auch Janniks und Joshuas ältere Schwester Jana und Mutter Claudia als Stammzellenspender registriert.

Bisher haben jedoch „nur“ Helmut und Jannik gespendet: Allerdings waren sie nicht die einzigen aus dem Quintett, die von der DKMS als potenzielle Spender angeschrieben wurden. Auch Joshua und Jana Schmitt haben schon Post bekommen mit der Nachricht, dass ihr Genmaterial zu dem eines an Leukämie erkrankten Menschen passt ist und sie im engeren Kreis der möglichen Spender sind. Bei beiden kam es aber aus verschiedenen Gründen nicht zu einer Spende.

Helmut und Jannik Schmitt wurden jeweils in einer Klinik in Köln die Stammzellen aus der Blutbahn entnommen, eine Punktion des Knochenmarks, der anderen Möglichkeit der Spende, war bei beiden nicht nötig. Die bei ihnen angewandte sogenannte periphere Stammzellentnahme ist die derzeit am häufigsten angewandte Methode. Es sei, so berichten beide, für sie vergleichbar gewesen mit einer Blutspende. Die Stammzellen werden über ein spezielles Verfahren, die sogenannte Apherese, aus dem Blut gewonnen, mittels eines Zellseparationsgeräts.

Um die Apherese vornehmen zu können, wird dem Spender in beide Ellenbeugen eine Infusionskanüle gelegt, über die er mit einem sterilen Schlauchsystem mit dem Separationsgerät verbunden ist. Das Blut wird von einer Armseite aus in den Zellseparator geleitet, wo die Zellen durch Zentrifugation nach ihrer Größe und ihrem Gewicht aufgetrennt werden. Die Zellen können nun gezielt aus der entsprechenden Zellschicht abgesaugt und in einen Beutel gesammelt werden. Das restliche Blut wird auf der gegenüberliegenden Armseite zum Spender zurückgeführt, so dass ein Kreislauf entsteht und das Blut mehrfach durch die Maschine fließen kann.

Vor der Stammzellenspende müssen die Spender eine Mobilisierungstherapie machen: Durch ein körpereigenes Hormon (G-CSF) werden die Stammzellen, die normalerweise im Knochenmark angesiedelt sind, in die Blutbahn ausgeschwemmt. Damit eine ausreichende Menge an Stammzellen gewonnen werden kann, muss dem Spender vor dem Entnahmetermin für in der Regel fünf Tage der Botenstoff verabreicht werden, der bewirkt, dass mehr Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut übertreten. Dieses G-CSF wird mit einer dünnen Nadel unter die Haut gespritzt, zum Beispiel am Bauch, ähnlich einer Spritze gegen Thrombose. Als Nebenwirkung der Mobilisierung können grippeähnliche Beschwerden auftreten. Diese können mit Schmerzmitteln gelindert werden und gehen nach der Behandlung wieder zurück.

Weder Helmut, noch Jannik Schmitt hat das allerdings Probleme bereitet. „Ich hatte für kurze Zeit leichte Rückenschmerzen nach den Spritzen, aber das war kein Problem“, sagt Jannik Schmitt (22).

Direkten Kontakt zur Empfängerin seiner Stammzellen, einer Frau aus Dänemark, hatte er nicht. Die Frau hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Die Spender selbst haben im Gegensatz zum Empfänger die Kontaktdaten des oder der anderen in der Regel nicht. Janniks Vater Helmut hingegen hatte Post vom Empfänger seiner Zellen, einem Familienvater aus England, bekommen. „Zuerst hat sich seine Frau schriftlich bei uns bedankt, dann er selbst“, sagt Helmut Schmitt.

Wie er würde auch Sohn Jannik jederzeit wieder spenden, auch Joshua, der seinen Bruder bei der Stammzellenspende in Köln begleitet hat, würde wie Schwester Jana und Mutter Claudia auch jederzeit Stammzellen spenden.

Wie viele Menschen lassen sich in Deutschland pro Jahr typisieren?

Die Zahl der neu gewonnenen Spender ist seit dem Corona-Jahr 2020 rückläufig, wie eine Grafik des Zentralen Knochenmarkspender-Registers Deutschland (ZKRD) zeigt: Waren es im Jahr 2019 noch mehr als 830.000 neu geworbene Spender in Deutschland, lag die Zahl 2020 bei 520.721 und 2022 bei 440.614 Menschen. Ein drastischer Rückgang, was mit der Zahl der Typisierung-Aktionen zusammenhängen kann, die in dieser Zeit abgenommen hat, wie eine Sprecherin der Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld sagt: „Durch die Pandemie und die Hygieneauflagen waren 2020 Typisierungs-Aktionen nur noch sehr eingeschränkt und zeitweise gar nicht möglich.“ Aber: „Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr wieder annähernd das Vor-Corona-Niveau erreichen.“

Wie hat sich die Zahl der Stammzellenentnahmen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Laut den Zahlen des ZKRD ist die Zahl der Stammzellenspenden in den vergangenen zehn Jahren leicht gestiegen: Waren es 2013 noch 6317 Entnahmen, wurden 2022 6835 Entnahmen registriert. Die höchste Zahl von Stammzellenspendern in den vergangenen zehn Jahren gab es 2019 mit 7160 Entnahmen. In allen Jahren überwog die Zahl der peripheren Entnahme über die Blutbahn deutlich gegenüber der über via Knochenmark.

Wie viele Spenden davon erfolgreich waren, sei schwer zu sagen, so eine Sprecherin des ZKRD, weil „der Erfolg in erster Linie von der Grunderkrankung, in der Regel Form und Stadium der Leukämie, aber auch von anderen Parametern abhängt wie dem Alter des Patienten oder sonstigen begleitenden Erkrankungen“.

Wie viele der typisierten potenziellen Stammzellenspender kommen als Spender infrage? Wie hat sich diese Zahl entwickelt?

„Die Zahlen, wie viele der neu registrierten Spender direkt ausgewählt werden, werden nicht erfasst“, teilt eine Sprecherin des ZKRD mit. „Was wir betrachten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spender jemals, irgendwann nach der Registrierung, zur Spende kommt. Diese Wahrscheinlichkeit ist alters- und geschlechtsabhängig. Junge Spender werden favorisiert gegenüber Älteren und männliche Spender sind gefragter als weibliche Spender.“ Personifizierte Typisierungs-Aktionen seien meistens erfolgreicher als andere. „Dies wird uns immer wieder von Spenderdateien berichtet.“

Die in der Region sehr bekannte Stefan-Morsch-Stiftung (SMS) bietet solche Typisierungs-Aktionen an: „Vor Corona waren es etwa 1000 Aktionen pro Jahr. Dabei sind unsere Teams bundesweit unterwegs“, sagt eine Sprecherin. 2020 waren es demnach nur noch 552 Aktionen, 2021 wurden 472 Typisierungs-Aktionen angeboten, im Folgejahr waren es 867, und für 2023 wurden bis einschließlich Juli 605 gezählt.

„Generell erreicht das Thema Typisierung in Medien und der Öffentlichkeit größere Aufmerksamkeit, wenn es einen Patientenhintergrund gibt. So können mehr Menschen sensibilisiert werden. Die Bereitschaft steigt zusätzlich, wenn der oder die Betroffene gut vernetzt und bekannt ist, zum Beispiel durch Engagement in Vereinen. Die Verfügbarkeit der Zielgruppe in einer Region ist auch ein wichtiger Faktor. So können sich zum Beispiel bei einem Musikfestival, das viele junge Menschen besuchen, insgesamt mehr Menschen registrieren als bei einem Patientenaufruf in einer dünn besiedelten Region. Trotzdem ist es ein tolles Ergebnis, wenn sich dort 200 Menschen registrieren“, sagt eine Sprecherin der Stefan-Morsch-Stiftung.

Wer kann ich mich typisieren lassen und Stammzellen spenden?

Spender kann jeder gesunde und mindestens 50 Kilo schwere Mensch zwischen 18 und 60 Jahren sein. Eine Neuregistrierung ist bis zum 55. Lebensjahr möglich. 17-Jährige dürfen zwar noch keine Stammzellen spenden, können sich aber ebenfalls registrieren und werden aber ab dem 18. Geburtstag automatisch aktiviert und bei der Suche nach Spendern berücksichtigt. Die Daten der Spender werden bei Erreichen des 61. Geburtstag gelöscht. Gewisse Erkrankungen schließen eine Spende aus, darunter fallen zum Beispiel Krebs. Diabetes oder schwere Lungen-, Herz- oder Nierenerkrankungen. Laut der DKMS sollten Stammzellspender zu beiden Entnahmearten, der periphere Stammzellentnahme und der Knochenmarkentnahme, bereit sein. Ob Stammzellen aus der Blutbahn oder aus dem Knochenmark besser für die Patientin oder den Patienten geeignet sind, entscheidet der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin nach sorgfältiger Abwägung.