Stempel erzählen Geschichten

Wittlich · Seit mehr als 100 Jahren werden Briefe aus Wittlich in die USA verschickt. Eduard Naß stellte bei den Briefmarkenfreunden, den sogenannten Philatelisten, in Wittlich solche Briefe aus seiner Sammlung vor. Nicht jeder dieser Briefe kam allerdings an. Die Poststempel erzählen deren Geschichte.

 Eduard Naß erklärt Wolfgang Altmann, was er anhand der Poststempel alles über die Briefe sagen kann. TV-Foto: Manuel Lauterborn

Eduard Naß erklärt Wolfgang Altmann, was er anhand der Poststempel alles über die Briefe sagen kann. TV-Foto: Manuel Lauterborn

Wittlich. Slater & Morrill war eine Schuhfabrik in South Braintree im US-Bundesstaat Massachusetts. Das lässt sich heutzutage im Internet leicht herausfinden. Was genau E.R. aus Minderlittgen im November 1922 an einen gewissen Hans Bersing von Slater & Morrill geschrieben hat, das hat Eduard Naß nicht verraten. Er hat den Brief im vergangenen Herbst auf Ebay ersteigert. Wer genau E. R. ist, ob Mann oder Frau, das lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Aber auf welchem Weg der Brief aus Minderlittgen nach South Braintree kam, das weiß Eduard Naß genau.
Stadt geschichte(N)


Naß ist der zweite Vorsitzende des Philatelisten-Vereins Wittlich (siehe Extra). Er steht im Casino Wittlich - Stuckdecken, hohe Fenster, rot gepolsterte Stühle - hat ein Bild des Briefes per Beamer an die Wand geworfen und erklärt. 20 Kollegen hören gespannt zu. "Wir schauen auf die Rückseite, denn die ist aussagekräftiger", erklärt Naß gerade. "Vier Stempel sind auf der Rückseite, und die erklären die Geschichte des Briefs." 13 Tage hat der Brief von Minderlittgen nach South Braintree gebraucht. Am 22. November 1922 war der Brief in Wittlich weggeschickt worden.
Einen Tag später gab es einen Durchgangsstempel in Cöln-Deutz und in Cöln noch einmal einen Eingangsstempel. "Von dort ging der Brief entweder zum Hafen nach Bremen oder Hamburg. Leider wurde da nichts abgestempelt, deswegen kann ich das nicht ganz sicher sagen", erklärt Naß weiter. Den dritten Stempel gab es dann in New York. Dort ist der Brief nach zwölf Tagen am 4. Dezember angekommen. Und am 5. Dezember war er schließlich in South Braintree. 48 Reichsmark Porto hat der Brief damals als Einschreiben gekostet. In den folgenden Jahren habe sich an Porto und Laufzeit der Briefe einiges geändert, so Naß. 1938 habe ein Einschreiben zehn Tage bis nach New York gebraucht und 85 Reichspfennig gekostet. Naß: "Der Brief kam allerdings nicht an. Er war nur mit an Frau Georg Hepp in New York adressiert." 1961 waren es vier Tage und 90 Pfennig. Heutzutage bezahlt man für ein Einschreiben bis 50 Gramm 3,65 Euro. Innerhalb von zwei bis drei Werktagen ist der Brief in den USA. Sechs Briefe stellt Eduard Naß an diesem Abend vor, alle gingen über Wittlich in die USA. "Diese sechs Briefe sind das Resultat aus 30 Jahren sammeln", sagt er und lacht. Auch er weiß, dass das nicht sonderlich viele Briefe sind. Aber die Geschichten darüber, wie diese Briefe in die USA kamen, die sind sehr interessant. mla
Extra

Der Philatelisten-Verein Wittlich. hat sich bereits am 28. Februar 1975 als Briefmarken-Sammler Verein Wittlich gegründet. Seit dem 27. Februar 1996 heißt man offiziell Philatelisten-Verein. Im Moment hat der Verein laut dessen 1. Vorsitzenden Harald Basten 93 Mitglieder. Neben dem Briefmarkensammeln und zum Verkauf anbieten, archivieren die Philatelisten auch historische und aktuelle Poststempel des Landkreises Bernkastel-Wittlich. Für dieses Archiv richte man gerade eine Homepage ein, so Harald Basten. Einmal im Jahr biete man außerdem einen Großtauschtag an, zu dem Briefmarkensammler aus ganz Deutschland anreisen. mla

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