Stilles Örtchen nur im Zug

Wittlich · Für fast fünf Millionen Euro ist der Bahnhof in Wengerohr umgebaut worden. Am Montag soll der Abschluss der Arbeiten offiziell gefeiert werden. Wer dann zur Toilette muss, löst sich am besten eine Zugfahrkarte. Denn ein stilles Örtchen am Bahnhof gibt es nicht.

 Wohl dem, der am Bahnhof Wengerohr nicht auf Toilette muss. Eine solche gibt es dort nämlich nicht, obwohl fast fünf Millionen Euro in das Gebäude investiert wurden. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wohl dem, der am Bahnhof Wengerohr nicht auf Toilette muss. Eine solche gibt es dort nämlich nicht, obwohl fast fünf Millionen Euro in das Gebäude investiert wurden. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Seit zehn Jahren beschäftigt die Stadt ein stilles Örtchen, das es nicht gibt. "Das Thema Toilettenanlage am Hauptbahnhof wurde bereits im Jahr 2003 intensiv beraten. Bereits damals wurde entschieden, dass aus Kostengründen auf den Bau einer Toilettenanlage verzichtet wird, wenn die Stadt Wittlich die Kosten für die Unterhaltung und Wartung der Anlage tragen muss", sagt Jan Mußweiler, Pressesprecher der Stadtverwaltung auf TV-Nachfrage. Das leuchtet irgendwie ein.
Kein privater Sponsor


Immerhin gehört der Bahnhof im Stadtteil Wengerohr der Stadt überhaupt nicht. Das hilft nur dem, der sich dort als Zugfahrender aufhalten muss, nicht viel, wenn er ein stilles Örtchen braucht. Deshalb hat Bürgermeister Joachim Rodenkirch jetzt wieder an die DB Station& Service AG in Frankfurt geschrieben: "Nach wie vor für Unmut und Beschwerden von Bahnreisenden sorgt die Tatsache, dass der Hauptbahnhof Wittlich über keine eigene Toilettenanlage verfügt." Und schlussendlich: "Es wäre bedauerlich, wenn der modernisierte Bahnhof wegen der fehlenden Toilettenanlage sein positives Image wieder verlieren würde." Zum "positiven Image" soll sicherlich der barrierefreie Ausbau der Anlage beitragen, die nun unter anderem Aufzüge erhalten hat. Nach früheren Angaben wurden 4,8 Millionen Euro in die neue Barrierefreiheit investiert, wozu am Montag ein Festakt an den Gleisen geplant ist. Eine barrierefreie Toilette gehört aber nicht dazu, die ebenfalls seit Jahren vom Beirat der Menschen mit Behinderungen des Landkreises Bernkastel-Wittlich gefordert wird.
Aber diese Wünsche aus Wittlich finden in Frankfurt kein Gehör. Jan Mußweiler gibt weiter, was Susanne Kosinsky von der DB Station&Service AG in Frankfurt dem Bürgermeister geantwortet hat: "Die Erstellung von Toilettenanlagen - somit auch behindertengerechten WC-Anlagen - durch die DB Station&Service AG ist nur für große Verkehrsstationen mit entsprechenden Reisendenzahlen vorgesehen." Sprich: Wittlich-Wengerohr ist zu klein für ein stilles Örtchen. Das sei ein "unmöglicher Zustand", der nicht hingenommen werden könne, regte sich schon mehrfach Wittlichs Ehrenbürger Hans-Günther Heinz darüber auf.
Kein Sponsor gefunden


Auch Landrat Gregor Eibes setzt sich für die Reisenden in Nöten ein. Zuletzt hat er, in dessen Landkreis rund 10 000 Menschen einen Schwerbehindertenausweis haben, eine Finanzierung einer behindertengerechten Toilette durch Sponsorengelder ins Auge gefasst.
Das war vor einem halben Jahr. Jetzt heißt es auf TV-Nachfrage aus dem Kreishaus: "Ein Sponsor für die Toilettenanlage konnte bislang nicht gefunden werden. Die Chancen, einen solchen zu finden, werden mittlerweile als schlecht eingestuft." Das sagt Manuel Follmann, Pressesprecher der Kreisverwaltung. Und fügt hinzu: "Jedenfalls beabsichtigt Herr Eibes, die nun anstehenden Eröffnungsfeierlichkeiten nach Abschluss der Umbauarbeiten an der Verkehrsstation Wittlich Hauptbahnhof zu nutzen, um die Verantwortlichen der Bahn auf die mangelhafte Toilettensituation anzusprechen."Meinung

Service sieht anders aus
Sicherlich kann man nicht erwarten, überall eine öffentliche Toilette zu finden. An einem Bahnhof ist das etwas anderes. Welche Hürden müssen kleine erst Betriebe nehmen, um eine Betriebserlaubnis zu erhalten? Sie sind dazu verpflichtet, Toiletten einzurichten und müssen viele verscheidene Vorschriften beachten. Unglaublich, dass so etwas für ein Unternehemen wie die Bahn nicht gilt. Dass es dafür keine Vorschrift gibt, ist mal echt eine Regelungslücke. Werden zudem Millionen in einen Standort investiert, wäre das der beste Zeitpunkt gewesen, diesen Service zu leisten, auch gegen Benutzungsgebühr. Zumal wenn man den Begriff "Service" in seinem Namen trägt. Die Kunden, die auch nicht jünger werden, auf die Toiletten in den Zügen zu verweisen, klingt höhnisch für die, die zum Beispiel draußen auf ihren verspäteten Zug warten müssen. Da kann man nur hoffen, dass beim Festakt am Montag einer der Verantwortlichen ein dringendes Bedürfnis verspürt und sich blamiert. s.suennen@volksfreund.de

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