Stolpersteine für Wittlich

Wittlich · Der ehemalige Wittlicher Kulturamtsleiter Justinus Maria Calleen plant mit dem Vorsitzenden der Georg-Meistermann-Gesellschaft, Hans Jörg Krames, die Erinnerungsarbeit an den Holocaust in Wittlich voranzutreiben. Ein erstes Projekt sind zwei Stolpersteine, die im Hof der Justizvollzugsanstalt eingesetzt werden sollen.

 Bald auch in Wittlich: Stolpersteine sollen an ermordete jüdische Mitbürger erinnern.TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Bald auch in Wittlich: Stolpersteine sollen an ermordete jüdische Mitbürger erinnern.TV-Foto: Archiv/Friedemann Vetter

Wittlich. Wittlich war vor dem Zweiten Weltkrieg eines der größten jüdischen Zentren in der Region. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten 270 Juden in der Stadt. Nach der Machtergreifung Hitlers waren es 1939 nur noch 100. Die letzten mussten Wittlich in den Jahren 1941/42 verlassen - sie wurden zusammen mit Juden aus Trier deportiert. Nach dem Krieg begann sukzessive die Erinnerungsarbeit. Inzwischen wird an vielen Stellen der jüdischen Geschichte der Stadt gedacht. Es gibt einen jüdischen Friedhof, ein Mahnmal für die Autobahn-Zwangsarbeiter in der Autobahnkirche St. Paul - und in Wittlich ist sogar das weltbekannte Emil-Frank-Institut ansässig, das die jüdische Geschichte der Region erforscht.

Die Geschichte: Die Wittlicher Georg-Meistermann-Gesellschaft macht sich nun für die Errichtung von sogenannten Stolpersteinen stark. Stolpersteine sind in den Boden eingelassene Messingplaketten, die an Menschen erinnern, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Das Projekt stammt von dem Künstler Günter Demnig, der 2003 damit begann, in vielen Städten Deutschlands und des benachbarten Auslands solche Steine anzubringen. Inzwischen gibt es in 15 europäischen Ländern über 40 000 solcher Stolpersteine, darunter auch in Trier und in Bernkastel-Kues. In Trier hatten sich Stadtrat und Stadtvorstand eindeutig für die Verlegung von Stolpersteinen entschieden. In Wittlich gab es bereits 2007 einen ersten Vorstoß von der Grünen-Fraktion im Stadtrat, der damals Hans Jörg Krames, heute Sprecher der Georg-Meistermann-Gesellschaft, angehörte. Nach kontroversen Diskussionen wurde ein diesbezüglicher Antrag jedoch zurückgezogen.

Das Projekt: Krames sagt nun: "Die Georg-Meistermann-Gesellschaft will das Stolperstein-Projekt im Rahmen der Erinnerungsarbeit nochmals aufnehmen". Der Bürgerbeauftragte Dieter Burgard und das Land Rheinland-Pfalz unterstützen diesen Plan. Inzwischen hat die Georg-Meistermann-Gesellschaft die Genehmigung erhalten, zwei Stolpersteine, von denen einer von Dieter Burgard finanziert wird, im Hof der Justizvollzugsanstalt zu verlegen. Das wird vom Leiter der JVA, Robert Haase, begrüßt, wie er dem TV gegenüber erklärte. Das Projekt wird auch vom Innenministerium des Landes unterstützt, dass die Verlegung auf dem Grundstück der JVA genehmigte. Diese Steine sollen allgemein an die Opfer der Justiz des Nationalsozialismus in Wittlich erinnern. Aber das ist für Krames und seinen Mitstreiter Calleen erst der Anfang. "Es wäre ein Traum, wenn das Nachwirkung hätte," sagt Krames. Für die Georg-Meistermann-Gesellschaft wäre das eine Initialzündung.

Die Kontroverse: Im Jahr 2009 hatte die damalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, die Aktion Stolpersteine verurteilt. Die Verlegung der bronzenen Pflastersteine sei eine Missachtung der Opfer, betonte sie. "Damit wird das Andenken von Menschen, die Verfolgung und Entwürdigung erleben mussten, bevor sie auf schreckliche Weise ermordet wurden, nochmals entwürdigt und sprichwörtlich mit Füßen getreten." Sie forderte stattdessen positive und auch produktive Formen des Gedenkens, vor allem auch unter Einbeziehung junger Menschen, denn aktives Gedenken stärke demokratische Wertanschauungen. Andere Organisationen begrüßen die Errichtung von Stolpersteinen. 2012 erhielt das Projekt den Marion Dönhoff Förderpreis für die internationale Verständigung und Versöhnung. Anne Will, Fernsehmoderatorin und Jurymitglied, nannte die Arbeit des Künstlers einen "großen Verdienst".

Die rechtliche Situation: In einigen Städten werden die Genehmigungen für die Verlegung der Stolpersteine nach Diskussionen und teilweise unter Auflagen (zum Beispiel mit der Zustimmung der Hauseigentümer) erteilt. In Krefeld lehnte zum Beispiel der Stadtrat eine Verlegung auf Wunsch der jüdischen Gemeinde ab, die sich der Argumentation Knoblochs anschloss. Erst nach einem Bürgerbegehren wurde ein Kompromiss gefunden. Die Einwilligung der Hauseigentümer ist dabei nicht zwingend erforderlich.Extra

Ein Stolperstein ist ein quadratischer Betonstein mit einer Kantenlänge von 96 mal 96 Millimetern und einer Höhe von 100 Millimetern. Auf der Oberseite ist eine Messingplatte befestigt, die die Namen der Opfern nennt. Inzwischen gibt es in Deutschland und 15 weiteren europäischen Ländern 42 000 Steine. hpl

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