Streithähne gibt es viele

WITTLICH. Der Baum, der zu nah am Grundstück steht, die Versicherung, die beim Unfall nicht zahlen will: All das sind Streitfälle für den Zivilprozess. Jährlich werden davon 900 Stück am Wittlicher Amtsgericht geführt.

Unter Juristen sind sie verbreitet, diese Menschen, die ziemlich schnell reden, noch schneller denken und kein Problem haben, fünf Prozessbeispiele zu schildern, ohne Luft zu holen. Auch Jürgen Meier ist solch ein Schnellredner. Beschreibt der Richter seine Arbeit, wird verständlich, warum diese Menschen offenbar eine schnellere Auffassungsgabe haben müssen als ein Großteil der restlichen Menschheit: Als Richter muss er den Überblick haben über unzählige Paragrafen und bereits gefällte Urteile oder muss zumindest wissen, wo er nachschlagen kann.Kompliziertes Recht: Lauter dicke Schwarten

Meier ist mit zwei anderen Richtern zuständig für Zivilprozess-Sachen ("ein weites Feld"), die vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt sind. Der Kommentar zu diesem Buch ist allein schon zehn Zentimeter dick. Aber dann dann gibt es ja noch die genauso dicken Schwarten zu Spezialthemen wie Mietrecht, Baurecht und so weiter. Hinzu kommt: Meier ist in anderen Bereichen tätig wie Adoptionen, Zwangsvollstreckungen und und und. Doch zurück zu den Zivilprozess-Sachen. 900 Zivilrechtsfälle wurden im vergangenen Jahr am Amtsgericht Wittlich, das für den Altkreis Wittlich zuständig ist, verhandelt. Zu den häufigsten Streitthemen im Zivilrecht gehören Verkehrsunfälle. Oft geht es darum, dass die Versicherung nicht zahlen will oder die Beteiligten sich nicht einigen können, wer Schuld hat. Ebenfalls oft gestritten wird über Mietangelegenheiten. Häufigster Anlass: Räumungsklagen, weil der Vermieter sein Geld nicht bekommt oder Streit um die Nebenkostenabrechnung (siehe Extra). Auseinandersetzungen im Kaufrecht, beispielsweise wenn Schäden am gebraucht gekauften Auto auftauchen und im Versicherungsrecht (Prämien werden nicht gezahlt, Streit um die Kündigung) stehen in der Hitliste des Zivilgerichts ebenfalls weit oben. Und dann sind da noch die Nachbarschaftsstreitigkeiten. "Gestritten wird da über alles Mögliche", meint Meier und kann sich über so manchen Anlass nur wundern. Im Namen des deutschen Volkes wird hier Recht gesprochen über den Lärm von Hühnern und Hähnen, über überhängende Zweige und zu nah stehende Bäume. Oft zeige sich jedoch, dass es nicht wirklich um die überhängenden Zweige gehe, sondern um ein anderes Ärgernis, das den Kläger veranlasst hat, es dem Beklagten heimzuzahlen. Doch worum es auch immer geht, der Richter verfolgt laut Meier in der Regel ein Ziel: einen Vergleich. "Solch eine gütliche Einigung ist meist erstrebenswert, auch wenn die Beteiligten über ihren eigenen Schatten springen müssen. Denn die Einigung schont oft den Geldbeutel, die Nerven und das Zeitbudget." Anwaltsgebühren, Gerichtskosten, das Geld für den Verdienstausfall der Zeugen, eventuell die Kosten für ein Gutachten - all dies könne sich bei einem verlorenen Prozess schnell auf mehrere tausend Euro summieren.Wichtiger Tipp: An die Beweissicherung denken

Damit es erst gar nicht zu einem Streit vor Gericht kommt, rät Meier eindringlich, bei allem Möglichen auf die Beweissicherung zu achten. Das heißt, treffe ich mit dem Nachbarn eine Abmachung über den Abstand der Hecke zu seinem Grundstück, sollte ich das schriftlich festhalten. Kündige ich eine Versicherung, dann sollte ich das per Einschreiben mit Rückschein tun. Und verkaufe ich mein Auto, sollte sich im Vertrag auf den Gewährleistungsausschluss (keine Haftung für später entdeckte Schäden) achten. Für vieles wie den Vertrag beim Autoverkauf gibt es Vordrucke. Für den Fall, dass sich ein Streit vor Gericht nicht verhindern lässt, hält Meier eine Rechtsschutzversicherung für sinnvoll. Auch er hat eine. Wenige Monate im Amt hatten ihn von der "Unwägbarkeit der Praxis" überzeugt. Der Volksmund sagt dazu: Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar r Schuh'. In der nächsten Folge der Serie berichtet ein Schöffe , wie er in Strafprozessen an der Urteilsfindung beteiligt ist.

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