Tätowiermaschine und verschlucktes Besteck im Wittlicher Gefängnismuseum

Wittlich · Ein Museum, das kaum einer kennt, ist umgezogen: Das Gefängnismuseum der Justizvollzugsanstalt Wittlich (JVA) hat mit seinen Stücken aus Geschichte und Alltag des Gefängnisses die neuen Räume im Keller der Justizvollzugsschule bezogen.

 Ausstellungsstücke wie diese erwartet man nicht in einem Gefängnismuseum: Messer und Gabel, die Gefangene verschluckt haben.

Ausstellungsstücke wie diese erwartet man nicht in einem Gefängnismuseum: Messer und Gabel, die Gefangene verschluckt haben.

Foto: Friedbert Mertes



Friedbert Mertes schmeißt die Tätowiermaschine an: "Tak, Tak, Tak, Tak, Tak." Die einst von einem Gefangenen unerlaubt hergestellte Maschine läuft auch nach Jahren als Museumsstück noch rund. Der 64-jährige Leiter des Museums der JVA Wittlich ist mit seinem skurrilen Museum Ende vergangenen Jahres in den Keller der Justizvollzugsschule umgezogen.

Dort hat er für seine Stücke nun auf 160 Quadratmetern fast doppelt so viel Platz als zuvor. "Wir sind noch nicht ganz fertig, das entwickelt sich alles nach und nach", erklärt Mertes.
Was schon fertig ist, ist der Filmvorführraum. Dort werden zwei Filme gezeigt, einer über die Männer- und ein anderer über die Jugendanstalt und deren jeweilige Entwicklung. "So bekommen die Besucher einen Eindruck, wie der Alltag in einem Gefängnis abläuft", erklärt Mertes.

An den weißen Wänden des langen Kellergangs, der wie ein Gewölbekeller wirkt und von dem alle Räume abgehen, hängen einige Schautafeln, die unter anderem über die Entwicklung der Wittlicher Anstalt informieren. Auf den gesamten Gang verteilt sind Vitrinen, in denen unter anderem ein alter Medizinschrank mit medizinischen Instrumenten und ein ausrangiertes Messgerät eines Optikers zu sehen sind.

Neben den Ausstellungsstücken, die auch im alten Museum präsentiert wurden, gibt es in den Räumen auch Kuriositäten zu bestaunen: selbst gebaute Tauchsieder, Tätowiermaschinen oder verschluckte Gegenstände - darunter ein komplettes Besteck-Set plus Messerklinge und Drähte - insgesamt 19 Teile - allesamt von einem Inhaftierten verschluckt. Auch diverse Fesseln und Handschellen werden ausgestellt. Diese können sich Besucher sogar selbst anlegen.
Zudem wird ein sogenannter Fotografiersteg gezeigt, der in der JVA Wittlich noch bis in die 1960er benutzt wurde, um bei der Aufnahme ein Foto vom Gefangenen zu machen. Dabei wurde der Gefangene auf einen drehbaren Stuhl, der sich auf einem länglichen Podest befindet, gesetzt. Der Stuhl wurde jedoch nicht vom Inhaftierten selbst gedreht, sondern von einem Beamten. Durch einen Hebel am anderen Ende des Podestes konnte er den Gefangenen in jede Richtung drehen und auch bestimmen, wie schnell oder langsam das geschieht. "So wurde von vorneherein klargestellt, wer das Sagen hat", erklärt Mertes.

Zurück zur selbst gebauten Tätowiermaschine: Rasiererteile und Kugelschreiberminen wurden mit Etiketten von Cremetuben oder Klebeband aus dem Betrieb, in dem der Gefangene arbeitete, zusammengeklebt und mit Tusche, ebenfalls aus dem Betrieb, aufgefüllt. Als Motor diente der elektrische Rasierer. So wurden daraus - bis heute - funktionstüchtige Maschinen. "Ich weiß nicht, womit die Gefangenen heute ihre Maschinen herstellen. Die werden sich aber sicherlich was überlegt haben", sagt Mertes. Aber auch Positives findet sich im Museum. Ein Gefangener, der einen Angelkurs belegt hatte, fertigte eine Mappe mit Zeichnungen, Fachbegriffen und Vorschriften über das Angeln an. "So etwas möchten wir den Besuchern auch zeigen", erklärt Mertes.
Vor allem Wittlicher besuchen das Museum. Oft haben sie laut Mertes einen persönlichen Bezug zur JVA. Aber auch Schulklassen, Vereine oder Firmlinge kommen. Von Oktober 2015 bis Anfang März 2016 haben 220 Menschen den Weg ins Museum gefunden.

Ziel des Museums ist es, Außenstehenden die Möglichkeit zu geben, das Leben in einer Haftanstalt kennenzulernen. Denn ein Besuch der eigentlichen JVA ist aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt.
Jeder kann das Museum besuchen. Anmeldung bei Friedbert Mertes unter Telefon 06571/9961706.

Im Land Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt acht Justizvollzugsanstalten. In Wittlich und Schifferstadt sind zudem auch Jugendstrafanstalten untergebracht. Die größte Anstalt ist in Diez. Ausgebildet werden die Beamten in der Justizvollzugsschule in Wittlich. Die Anstalten in Mainz und Kaiserslautern wurden 2002 geschlossen. Als Ausgleich wurde die JVA Rohrbach in Wöllstein gebaut. Und aus der Anstalt in Kaiserslautern wurde etwas ganz besonderes: das Hotel Alcatraz, in dem die Gäste in ehemaligen Zellen übernachten können, auch in originaler Gefangenenkleidung. sk

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