Gedenken Täuschungsmanöver der Nazis

Wittlich · Auf Einladung des Kulturamtes der Stadt Wittlich, des Arbeitskreises Jüdische Gemeinde Wittlich und des Emil-Frank-Instituts referierte Dr. Andrej Angrick aus Berlin über die Versuche der Nationalsozialisten, die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen.

Gut 120 Personen folgten in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge dem bewegenden Vortrag; unter ihnen befand sich eine größere Gruppe  Studierender der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz.

Der Historiker Dr. Andrej Angrick ist ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Kriegsverbrechen, der Wehrmacht und des Holocaust. Thema seiner Promotion war die  Einsatzgruppe D. 2018 veröffentlichte er eine zweibändige Studie über die sogenannte Enterdungsaktion „Aktion 1005“, die auch Grundlage seines Vortrags ist. Der Name „Aktion 1005“ bezeichnete eine Akte und wurde von Heinrich Müller, Reichssicherheitshauptamt, als quasi Tarnname gewählt. Verantwortlich für die Durchführung war der SS-Standartenführer Paul Blobel.

Die „Enterdungsmaßnahmen“ sollten 1942, auf dem Höhepunkt der Judenvernichtung in Polen, vor allem einen „störungsfreien“ Betrieb der Vernichtungslager ermöglichen, indem die tausendfach anfallenden Leichname möglichst rückstandsfrei und vor allem schnell beseitigt wurden, auch weil man eine Verseuchung des Grundwassers fürchtete. Angrick nannte die Namen der Wittlicher jüdischen Glaubens, die nach Lodz deportiert und dort ermordet wurden. Auch ihre Leichen wurden vernichtet. Nachdem die Wehrmacht aber Anfang 1943 in die militärische Defensive geriet und es der Roten Armee gelang, in der Folge immer mehr Gebiete zurückzuerobern, rückte die Beseitigung der in Massengräbern verscharrten Opfer der Einsatzgruppen in den Fokus – nicht zuletzt, weil die Alliierten schon im Dezember 1942 erklärt hatten, die Deutschen für ihre Verbrechen nach dem Ende des Krieges juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Die „Fortschritte“ der Aktion 1005 wurden als „Wettermeldungen“ oder „Holzeinschläge“ getarnt an das Reichssicherheitshauptamt gemeldet.

Dr. Angrick erläuterte den ungeheuren logistischen Aufwand, die „Meisterwerke“ deutscher Ingenieurkunst, die unmenschlichen Arbeitsbedingungen sowie die schonungslose Ermordung aller potentiellen Zeugen sachlich und detailliert. Die Kaltblütigkeit der Täter entsetzte das Publikum, aus dem nach dem Vortrag zahlreiche Fragen kamen, die der Referent ausführlich beantwortete. Gemeinsam war bei allen  Zuhörern, die Erkenntnis, dass die „Aktion 1005“ bis heute eigentlich unbekannt ist.

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