Glaube im Alltag Teilen ist mehr

Ich habe heute meine Brezel geteilt", verkündete meine Enkelin stolz, als sie aus dem Kindergarten kam. "Geteilt? Mit wem?", frage ich spontan zurück.

 Elfriede Klar

Elfriede Klar

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"Ei, ich habe sie in der Mitte geteilt und dann aufgegessen." Da war wohl bei der Aufarbeitung des Themas "Teilen wie St. Martin" etwas nicht richtig angekommen. Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie vielschichtig der Begriff "Teilen" ausgelegt werden kann. In Tours, wo Martin begraben ist, erzählte man mir, er habe nicht die Hälfte, sondern alles hergegeben, nämlich seinen Teil, die andere Hälfte gehörte dem Kaiser. Ich weiß nun nicht, wie historisch korrekt das ist, aber diese Version gefällt mir. Was ihm zum persönlichen Schutz zugeteilt war, gab er hin, wurde damit selbst schutzlos, nicht nur wegen der nun geringeren Abdeckung seines Körpers, war damit auch dem Spott der Mitstreitenden ausgesetzt.

Bei all den Darstellungen der Mantelteilung hat sich mir ein Bild besonders eingeprägt. Da ist Martin vom Pferd abgestiegen und überreicht dem Bettler das Mantelstück - auf Augenhöhe, nicht von oben her, sondern "abgestiegen vom hohen Ross". Die so fest in uns verankerten Bilder der Mantelteilung sollten wir mal loslassen und sie einfach als Impuls auf uns wirken lassen. Dann weitet sich der Blick, und wir nehmen wahr: Teilen ist mehr!

Es bedeutet auch, sich "mit-teilen", das eigene Leben zum Nächsten hin öffnen und einander am Leben "teil-haben" lassen, daran "teil-nehmen" dürfen. Dann erfahren wir hautnah, was Barmherzigkeit wirklich meint: Den Mitmenschen in mein Leben, in mein Herz, einlassen und ihm den Raum zugestehen, den er braucht, um wirklich Mensch zu sein, ganz vorurteilsfrei. Das setzt voraus, dass wir einander wahrnehmen, aufeinander achten, respektvoll und achtsam miteinander umgehen.

Poetisch finde ich das gut zusammengefasst in dem Satz von Rainer Maria Rilke. "Es gibt Augenblicke, in denen eine Rose wichtiger ist als ein Stück Brot."

Elfriede Klar, Esch, ist Lehrerin im Ruhestand.

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