Ernährung Kritik am Saubraten: So reagiert die Stadt Wittlich

Wittlich · Tierschützer kritisieren in einem offenen Brief das Wittlicher Brauchtum mit Saubraten als Kirmesspezialität: Wie steht der Bürgermeister zum Saubraten und sieht die Stadt keinen Grund, am Wittlicher Saubratenstand etwas zu ändern?

Tierschützer kritisieren Saubraten: Reaktion der Stadt Wittlich
Foto: dpa/Boris Roessler

Als wäre das Jahr für Wittlicher Kirmesfans nicht  eh schon schlimm genug, fordern Tierschützer in einem offenen Brief, generell auf der Säubrennerkirmes keinen Saubraten mehr anzubieten. Und das, obwohl das große Wittlicher Volksfest wegen Corona in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal ausfallen muss.

Kritik am Brauchtum

Wenig verwunderlich also, dass die Kritik am Brauchtum und der Tradition der Säubrennerstadt gerade zum jetztigen Zeitpunkt bei vielen Wittlichern nicht gut ankommt. Die Tierschützer von „X Orga“ sind der Meinung, dass Schweine, die auf der Kirmes in Wittlich als Saubraten verzehrt werden, in Wirklichkeit „leidensfähige Wesen“ seien, die ähnlich denken und fühlen würden wie Menschen. Deshalb lehnen sie die „Tötung von Tieren für den eigenen Konsum ab“. Sie fordern, die „Tradition der Säubrennerkirmes kritisch zu hinterfragen und neu zu überdenken“.

Doch bei vielen Wittlichern kam das gar nicht gut an (unsere Zeitung berichtete). Unsere Berichterstattung über den offenen Brief der Tierschützer und ihre Forderungen wurde auch in den sozialen Netzwerken kontrovers diskutiert. Das Thema Wittlicher Saubraten schoss regelrecht durch die Decke. Dabei sind viele Fragen dazu noch gänzlich unbeantwortet: Aus welcher Haltungsform stammt überhaupt das Fleisch für den Wittlicher Saubraten? Wie steht die Stadt Wittlich zur Kritik am Saubraten und dem Wittlicher Brauchtum? Und könnte man nicht eventuell etwas besser machen?

Fangen wir doch mal beim Einkauf an: Wo kommt das Fleisch für den Saubraten her? Vom Metzger, vom Schlachthof oder vom Bio-Hof? „Das Schweinefleisch wird von der Firma Schlachthof Simon in Wittlich eingekauft“, erklärt die Stadtverwaltung auf Anfrage unserer Zeitung. Aus welcher Haltungsform die Tiere stammen, könne die Verwaltung nicht beantworten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass bislang Fleisch der „Stufe 1“ aus „Stallhaltung“ eingekauft wurde. Denn  für Bio- oder Freilandschweine müsste die Stadt pro Kilogramm deutlich mehr Geld auf den Tisch legen.

Aber hat man in der Stadtverwaltung im Sinne des Tierwohls schon mal darüber nachgedacht, das Fleisch für den Saubraten von Bauern mit besserer Haltungsform zu kaufen?

Die Antwort der Stadtverwaltung dazu lautet: „Ja.“ Man habe sich darüber mit dem Schlachthof Simon, aber auch vereinzelt mit den ortsansässigen Bauernhöfen unterhalten. „Das Problem ist die Gewährleistung einer kontinuierlichen Qualität und aufgrund der großen Abnahmemenge auch die Logistik, erklärt die Stadtverwaltung. Zudem müsse der Preis für den Schweinebraten wahrscheinlich angehoben werden, erklärt die Verwaltung, wenn die Fleischqualität gesteigert würde. Die Kirmesspezialität, ein Brötchen mit einer Scheibe Saubraten, wurde zuletzt für fünf Euro gehandelt.

Ließe sich denn im Sinne  des Tierwohls so rein gar nichts anders oder sogar besser machen?

„Wir hatten bereits mehrere Gespräche mit diversen Tierschützern und haben angeboten, dass ein Infostand mit veganen Kostproben sogar kostenfrei zur Verfügung gestellt werden kann. Auch eine Fläche für einen gewerblichen Stand mit veganer Kost könnte bereitgestellt werden. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen müsste in diesem Fall jedoch das übliche Standgeld in Rechnung gestellt werden“, erklärt die Stadtverwaltung.

Könnte man nicht auch am Saubratenstand eine vegetarische Alternative anbieten? „Wie bereits erwähnt, gibt es bereits vegane und vegetarische Köstlichkeiten und einer Ausweitung des Angebotes steht nichts entgegen. Allerdings wäre ein gemeinsames Angebot im Saubratenstand grotesk und widersinnig“, erklärt die Stadtverwaltung.

Wie geht Joachim Rodenkirch, Bürgermeister der Säubrennerstadt, mit der Kritik der Tierschützer um, die gegen die Tradition der Säubrennerstadt wettern? „Sowohl Tierschützer als auch Befürworter der traditionellen Säubrennerkirmes haben in der Bundesrepublik Deutschland ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir alle vor anderen Herausforderungen stehen, als vor Diskussionen über Saubraten“, erklärt der Bürgermeister. Im Übrigen halte er es mit Friedrich dem Großen, der einen Satz geprägt habe, der noch heute seine Gültigkeit besitze: Jeder solle nach seiner Facon selig werden, so Rodenkirch. „Wir alle haben das Glück in einer Stadt und in einem Land zu leben, in dem wir uns selbst entfalten können, solange wir andere nicht gefährden, beeinträchtigen oder verletzen. Insofern können wir selbst entscheiden, welches TV-Format wir auswählen, welche Zeitung oder welches Buch wir lesen, wie wir uns anziehen und was wir essen. Das ist gut so und sollte auch so bleiben!“

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