Träume von einem anderen Leben

MANDERSCHEID. (HG) Das soziale Engagement bei den Jugendlichen zu wecken und über Multiple Sklerose zu informieren, war Ziel zweier Veranstaltungen, die Hermann-Josef Hauth, Leiter der MS-Selbsthilfegruppe Bernkastel-Wittlich, an der Regionalen Schule Manderscheid angeboten hat.

Hermann-Josef Hauth ist seit 25 Jahren an Multiple Sklerose (MS) erkrankt und weiß um die Nöte der Betroffenen. Wer könnte also besser und anschaulicher über diese unheilbare Krankheit des zentralen Nervensystems berichten als er? Das dachte sich auch die Regionale Schule Manderscheid. Hauth besuchte gemeinsam mit Wolfgang Osweiler aus Badem, der durch MS an den Rollstuhl gefesselt ist, die Jugendlichen der sechsten bis neunten Stufe. Zunächst erfuhren die Schüler, dass die Krankheit sich mit Erschöpfungsphasen, Kribbeln in Beinen und Fingern, Augenlähmungen sowie Schielen bemerkbar macht. "Die Krankheit bricht am häufigsten zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr aus, aber man kann sie auch noch mit 70 bekommen", erklärt Hauth. Susanne Reuter will wissen, ob eine jetzt vorhandene Krankheit bei einem späteren medizinischen Fortschritt noch heilbar sei. Hauth erklärt: "Unser Abwehrsystem ist so stark, dass es die eigenen Nervenbahnen angreift und dort Schädigungen hervorruft. Dadurch werden die Signale zum Gehirn blockiert. Heilbar ist MS nicht. Wer es einmal hat, behält es auch." Alle Klassen haben sich vorher mit dem Thema MS befasst. "Wir in der 6b haben die Fragen gesammelt, und dann haben sich die Schüler drei Sprecher ausgesucht, die die Fragen stellen. Außerdem haben wir uns mit Fragebögen und einem Film über Multiple Sklerose vorbereitet", erklärt Lehrerin Marina Greis. Als Hermann-Josef Hauth zu den Jugendlichen spricht, ist es ganz still im Musiksaal. Konzentriert lauschen sie und die Lehrer dem Mann, der in den 18 Jahren, seit er eine Selbsthilfegruppe leitet, schon 100 000 Euro für die Hilfe von MS-Kranken gesammelt hat. Jessica Schedel möchte gern von ihm wissen, wozu er die Gruppe gegründet hat. "Hier geht es darum, gemeinsam über die Krankheit zu reden, etwa was sich im vergangenen Monat verändert hat. Denn es ist wichtig, dass man darüber spricht", sagt Hauth. Die Selbsthilfegruppe habe er gegründet, weil es ihm relativ gut gehe und er etwas für andere, denen es schlechter geht, tun wolle. "Sind Sie oft traurig?", fragt Sabrina Argendorf. Diese Frage bejaht Hauth. "Wir alle haben öfters einen Tiefpunkt, was durch die Krankheit bedingt ist." Belay Mirsada fragt Wolfgang Osweiler, ob er Träume von einem anderen Leben gehabt habe. "Ich hatte einst Träume, aber ich habe mich jetzt damit abgefunden, dass sie nicht mehr erfüllbar sind", sagt der gelernte Schreiner. Julia Jähnigen fragt ihn, wie seine Familie mit der Krankheit umgeht. "Meine Frau ist nicht mit meiner Krankheit zurecht gekommen und hat mich mit den zwei Kindern verlassen", antwortet Osweiler. Er lebt seitdem mit seiner Mutter zusammen. Jan Weber fragt, wie sich die MS-Kranken fühlen, wenn ihnen die Leute dauernd hinterher schauen. "Das ist belastend", gibt Hauth zu, "aber irgendwann sagt man sich, dass es sowieso nicht zu ändern ist." Fragen nach Schmerzen werden gestellt - und wie der Alltag aussieht. Michelle Weiger will wissen: "Gibt es Menschen, die sich wegen ihrer Krankheit schon etwas angetan haben?" Die Frage, die nicht vorher geplant war, lässt Hauth einen Moment stocken, doch dann spricht er über einige Fälle: "Es gibt viele Menschen, die mit dieser Situation nicht fertig geworden sind." Nach drei Stunden Frage und Antwort in der Regionalen Schule Manderscheid ist Hauth sehr zufrieden. "Wichtig ist, dass sich in den Köpfen der Jugendlichen etwas verändert hat."

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