Justiz Gericht verurteilt jugendliches Quartett

Wittlich/Trier · Das Landgericht Trier hat vier junge Straftäter bestraft, weil sie über längere Zeit die Straßen Wittlichs unsicher gemacht hatten.

 TV-Foto: Friedemann Vetter

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Foto: TV/Friedemann Vetter

Dreimal sogenannte Warnschussarreste, Freizeitarrest, Sozialarbeitsstunden, Drogenentzug, Anti-Aggressions-Training und als I-Tüpfelchen einmal ein Jahr und sieben Monate Jugendstrafe ohne Bewährung: Das Urteil der Großen Jugendkammer des Landgerichts Trier war vielschichtig. Wären die vier Angeklagten im Alter von 19 bis 20 Jahren jedoch nicht als Heranwachsende,  sondern als Erwachsene verurteilt worden, hätte es vermutlich einige reguläre  Haftstrafen gesetzt.

Die Anklage von Staatsanwalt Christian Hartwig  am ersten Prozesstag (der TV berichtete) hatte es in sich: Gefährliche Körperverletzung und Körperverletzung in zahlreichen Fällen, Diebstahl, Drogenbesitz und Beleidigung. Unjuristisch  gesagt: Tritte und Schläge mit der Faust, mit der Bierflasche und mit Gürteln. Ein Opfer war nach den Attacken lange arbeitsunfähig, hat dadurch seine Stelle verloren und ist nun arbeitslos.

Aber im Jugendstrafrecht soll der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen. Wird sich das aus Libyen, Marokko und Syrien stammende und heute in Wittlich lebende Quartett von den Urteilen wirklich abschrecken lassen?  Was sagt  der Vorsitzende  Richter Günther Köhler über den 20-jährigen Hauptangeklagten L.: „Ihm ist die hier geltende Rechtsordnung völlig gleichgültig. Auf ihn muss erzieherisch eingewirkt werden.“  Ob sich L. das zu Herzen nimmt? Aus seinem „letzten Wort“ im Verfahren – es ist die einzige Erklärung der Angeklagten – klingt so etwas wie Zerknirschung über das eigene Tun heraus. Er gelobe Besserung.

Ganz verständlich ist es nicht. L. sitzt nach seinen Gewaltaktionen  auf den nächtlichen Wittlicher Straßen  seit sieben Monaten in Untersuchungshaft in der Justizvollzuganstalt (JVA) Wittlich. Aber auch in der JVA  gilt der junge Mann als Problemfall. Das sagt Birgit Wagner von der Jugendprozesshilfe, die umfassende Dossiers von allen Angeklagten gefertigt hat: „Da ist zwar ein Ansatz, aber er hat sich in der Haft nicht wesentlich geändert. Wenn er schon schwer führbar ist, wäre eine längere  Gesamterziehung im Vollzug verbunden mit einem Anti-Aggressions-Training zur Impulskontrolle sinnvoll.“

Und der Staatsanwalt warnt  in seinem Schlussplädoyer: „Eine Bewährungsstrafe ist für L. ein  verheerendes Signal. Ich beantrage daher eine Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung.“ Für die anderen drei Angeklagten hat Hartwig leichtere Eisen im Feuer wie gemeinnützige Arbeit, Freizeitarrest  und für alle Anti-Aggressions-Kurse.

Außerdem äußert der Anklagevertreter den Verdacht, dass Zeugen in der zurückliegenden Beweisaufnahmen bewusst milde gegen die Angeklagten aussagten, obwohl sie deren Opfer sind. Er fragt: „Hatten sie Angst? Waren sie eingeschüchtert worden?“

Einen Drahtseilakt absolvieren die Verteidiger Anne Bosch, Winfried Schabio, Jörg Hosp und  Oliver Gipp. Es fällt schwer, am Ende dieses Verfahrens, bei dem es auch einige kleine Teilgeständnisse gab, schuldmindernde Aspekte zu finden. Da wird etwa ein riesiges blau-gelbes Hämatom auf einem Opferrücken in Frage gestellt, weil nur „alte Hämatome solche Färbung aufweisen – aber nicht kurz nach der Tat“.

Oder ein Zeuge wird zitiert,  dem die Tritte gegen sein Bein gar nicht weh getan hätten. Und es gilt als positives Signal, „dass die letzte Körperverletzungstat meines Mandanten schon Monate zurück liegt“. Dazu kommt noch der mehrfach zitierte Gruppenzwang – jener Zwang, mit draufschlagen zum müssen. Alle Verteidiger bitten um ein mildes Urteil.

Drei Angeklagte verlassen den Saal wie sie kamen –  auf freiem Fuß. Auf sie warten gemeinnützige Arbeiten, kurze Arreste und Trainingseinheiten für eine bessere  Impulskontrolle.

Auch für den Hauptangeklagten gibt es eine Perspektive: Nur ein Jahr Jugendstrafe, weil die Untersuchungshaft abgezogen wird. Und auch dieser Rest könnte vorerst außer Vollzug gesetzt werden, falls der Angeklagte sich einer stationären Drogentherapie unterzieht.

Erklärungen werden nicht abgegeben – die Urteile sind damit noch nicht rechtskräftig.

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