Tucholsky spottet über alles

Manderscheid · Die Initiative "KiM" (Kleinkunst in Manderscheid) hat im Kurhaussaal 35 Besuchern einen nachdenklich-unterhaltsamen Tucholsky-Abend mit Burkhard Engel aus Erbach im Odenwald bereitet. Für den Musiker und Schauspieler mit Doktortitel war es das zweite Gastspiel in Manderscheid.

 Burkhard Engel leiht bei seinen Gastvorträgen dem Satiriker und Journalisten Kurt Tucholsky seine Stimme. TV-Foto: Brigitte Betts cheider

Burkhard Engel leiht bei seinen Gastvorträgen dem Satiriker und Journalisten Kurt Tucholsky seine Stimme. TV-Foto: Brigitte Betts cheider

Manderscheid. In eigener Sache hat Burkhard Engel (59) nur ganz am Ende gesprochen - als er das Publikum auf die Aktualität der Texte Tucholskys (1890 bis 1935) aufmerksam machte; und als er es auf seine Internetseite einlud und dabei vor den sieben möglichen Schreibweisen seines Vornamens warnte.
In den 90 Minuten auf der Bühne gab der Rezitator mit geisteswissenschaftlicher (Theologie, Geschichte, Altorientalistik), musikalischer (Klavier, Gitarre, Akkordeon, Gesang) und schauspielerischer Ausbildung ausschließlich Kurt Tucholsky seine Stimme. Er sagte zu den drei Dutzend Gedichten, Liedern und Satiren kein einziges eigenes moderierendes Wort und schuf dennoch eine unglaublich geschlossene Dramaturgie.
Einmal mochte man denken, jetzt erkläre Burkhard Engel selbst. "Verzeihen Sie diesen Abschnitt", sagte er, "ich hatte nur zwischen dem vorigen Stück und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen."
Aber auch das ist Tucholsky-Originalton, es ist der letzte Satz seiner höchst amüsanten Satire über die "soziologische Psychologie der Löcher". Die Vereinsmentalität der Deutschen, die Ausbildung und Arbeitsweise der Laternenanzünder, die Eitelkeit des Mannes, die textkritische Untersuchung des deutschen Volksliedes "Wir versaufen unser Oma ihr klein\' Häuschen" - Kurt Tucholsky schrieb witzig, pathetisch, sentimental, er spottete über alles. "Ein glücklicher Zufall, dass meine Frau und ich in unserem Wanderurlaub in der Eifel das Plakat zum Tucholsky-Abend entdeckt haben und hierhergekommen sind", sagte Hans-Henning Meincke aus Bad Ems dem Trierischen Volksfreund. Der Abend mit Burkhard Engel habe ihnen ausgezeichnet gefallen. "Er war nachdenklich und heiter zugleich", erklärte er.
Wolfgang Moritz von der Initiative "KiM" (siehe Extra) erinnerte bei der Eröffnung des Abends an den erstmaligen Auftritt Burkhard Engels im Jahr 2010 mit der literarisch-musikalischen Selbstbetrachtung "Männer!" und versicherte: "Wir bleiben an ihm dran!" Und der Mann aus dem Odenwald? "Ich komme gerne wieder, und ich möchte in Manderscheid mal Urlaub machen. Hier ist es wunderschön." bb Die Kulturinitiative "KiM" gibt es seit dem Jahr 2007. Anliegen ist, den Bewohnern und Besuchern Manderscheids das "Kleine, Feine" und das "Pfiffige und Spritzige" an Kunst und Kultur zu präsentieren. Nächste Veranstaltung ist die Ausstellung "Eifel kreativ" vom 17. bis 19. Juni, jeweils von 10.30 bis 18 Uhr, mit Abschlusskonzert des Symphonieorchesters Gerolstein am Sonntag, 19. Juni, 19 Uhr, im Kurhaus Manderscheid. Info: Else Oehms, Telefon 06572/932653, Internet: www.kleinkunst-manderscheid.de. (bb)

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