Überraschendes Ende der Immobilien-Legende

WITTLICH. Erst Bürgermeisterresidenz, dann Firmensitz und schließlich städtischer "Schandfleck": Das letzte Kapitel in der wechselvollen Geschichte des Hauses Schumacher schrieb gestern überraschend schnell ein Bagger mit der Abrisskralle. Der freie Platz eröffnet nun neue, kostengünstigere Perspektiven für den Bau der Stadthalle.

 Mehr als ein Abriss: Um das Haus Schumacher ranken sich viele Wittlicher Geschichten.Foto: Nora John

Mehr als ein Abriss: Um das Haus Schumacher ranken sich viele Wittlicher Geschichten.Foto: Nora John

Man könnte es präzises Timing nennen, man könnte aber auch von einer Nacht-und-Nebel-Aktion sprechen: Am Dienstagabend beschloss zunächst der städtische Bauausschuss ab 17.30 Uhr in nicht öffentlicher Sitzung mehrheitlich den Abbruch des Hauses Schumacher und vergab den Abrissauftrag an ein Unternehmen. Direkt im Anschluss befasste sich der Ausschuss "Kurfürstenhof" mit dem Rahmenkonzept "Oberstadt". Schon am nächsten Morgen begann ein Baggerfahrer, die Giebelfront des Hauses Schumacher einzureißen.Nur drei Fassaden im Originalzustand

Nicht wenige Wittlicher werden überrascht gewesen sein, wie schnell die Mühlen der Verwaltung in diesem Fall gemahlen haben. Ein würdevoller Abschied von dem über 140 Jahre alten, Stadtbild prägenden Haus war jedenfalls nicht mehr möglich. Der Abriss der oft als "Ruine" bezeichneten städtischen Immobilie in der Oberstadt wurde vom Landesamt für Denkmalpflege in Mainz geebnet, das die seit 1982 gültige Unterschutzstellung aufhob. Als erhaltenswert waren beim Haus Schumacher ohnehin nur die drei im Originalzustand erhaltenen Fassaden eingestuft worden. Nach Mitteilung der Unteren Denkmalpflegebehörde (Kreisverwaltung) enthielt das Gebäudeinnere bereits vor 20 Jahren keine Originalsubstanz mehr. Die Aufhebung der Denkmalwürdigkeit begründet die Mainzer Behörde mit den mittlerweile starken Schäden an den Fassaden. Die Stadt begrüßt diese Entscheidung. Damit werde die Nutzung der frei gewordenen Fläche erheblich erleichtert, meint Pressesprecher Ulrich Jacoby. Die dort geplante Stadthalle könne nun kostengünstiger gebaut werden. In allen bisherigen Konzepten musste das Haus Schumacher in die Planung einbezogen werden. Jacoby: "Alleine die Eingliederung hätte 1,2 Millionen Euro gekostet." Wie das städtische Hochbauamt festgestellt hat, waren die Dachbalken des Hauses Schumacher durchgefault. Dachpappe und der Außenputz begannen sich zu lösen; Sandsteinfassungen und Gesimse verwitterten immer mehr. Ein schneller Abriss sei auch aus Sicherheitsgründen notwendig geworden, so die Stadtverwaltung. Um Menschen und parkende Autos vor herabfallenden Teilen zu schützen, wären Unterhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen. Bereits Anfang der achtziger Jahre war die rückwärtige Fassade aus Sicherungsgründen angebaut worden. Die neue Situation in der Oberstadt eröffnet den städtischen Gremien, die sich mit dem Bau einer multifunktionalen Stadthalle und dem angegliederten gewerblichen Teil befassen, völlig neue Perspektiven. Insbesondere die Projektgruppe "Oberstadt", die erst kürzlich ihren zweiten Projektbericht als Diskussionsgrundlage für die Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag vorgelegt hat, wird von neuen Eckdaten ausgehen können. In der neuesten Expertise geht das Gremium davon aus, dass "eine dem städtischen Charakter Wittlichs entsprechende und architektonisch ansprechende Stadthalle" etwa fünf Millionen Euro kosten wird. Vielleicht ist der Abriss des Hauses Schumacher ja ein gutes Omen für die von der Bevölkerung schon lange herbeigesehnte Halle. Denn alle bisherigen Planungen, in denen das Haus Schumacher integriert war, scheiterten. Darunter der Architektenwettbewerb 1989 und zehn Jahre später der geplante Bau des Schlosscenters. 2002 kam das Aus: Stadthalle und Tiefgarage für zehn Millionen Euro machten die Stadt zahlungsunfähig, sagte Bürgermeister Ralf Bußmer.

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