Umstrittenes Rezept gegen Leerstände

Das Ei des Kolumbus gegen Leerstände in den Dörfern hat man in Morbach offenbar noch nicht gefunden. Die vom Arbeitskreis Bauen vorgeschlagene Bildung von Schwerpunkt-Orten stößt im Morbacher Gemeinderat jedenfalls auf große Widerstände.

 Bekommen Bauherren in der Einheitsgemeinde Morbach abhängig vom Wohnort künftig unterschiedliche Fördersummen? Der Gemeinderat hat das Thema vorerst vertagt. TV-Foto: Archiv/Axel Munsteiner

Bekommen Bauherren in der Einheitsgemeinde Morbach abhängig vom Wohnort künftig unterschiedliche Fördersummen? Der Gemeinderat hat das Thema vorerst vertagt. TV-Foto: Archiv/Axel Munsteiner

Morbach. Auch wenn er derzeit in den Dörfern der Einheitsgemeinde Morbach noch kaum sichtbar ist: Der demografische Wandel hält an. Vielerorts wird schon bald in den Ortskernen eine ganze Reihe Häuser leerstehen.

Wie man da Abhilfe schafft, darüber hat sich der Arbeitskreis Bauen Gedanken gemacht. Der Vorschlag aus dem Gremium: Innerhalb der Einheitsgemeinde sollen Schwerpunkt-Orte gebildet werden. Dort können Bauherren im Innenbereich bei Sanierungen eine höhere Förderquote aus dem gemeindlichen Topf zur Stärkung der Ortskerne erhalten. Diesen hatte das Rathaus im vergangenen Jahr zusammen mit dem Förderprogramm für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung aufgelegt. Bisher wurden die Maßnahmen in Höhe von 15 Prozent der förderfähigen Kosten, höchstens jedoch mit einem Betrag von 15 000 Euro, gefördert. In Schwerpunkt-Orten, so lautete die Verwaltungsvorlage für den Morbacher Gemeinderat, sollten künftig 20 Prozent und 20 000 Euro gelten.

Doch diese "Bevorzugung" war laut Vorlage an Bedingungen geknüpft. Mindestens bis 2015 müssen die Schwerpunktorte unter anderem auf die Ausweisung von Neubaugebieten verzichten.

Bei den Kommunalpolitikern stieß dieser Vorschlag in der jüngsten Ratssitzung auf Widerstand. "Erhebliche Bauchschmerzen" verursachte er laut Fraktionssprecher Heribert Knob der CDU-Fraktion. So sehr seine Gruppierung die Absicht unterstütze, die Ortskerne zu fördern, eine "Zwei-Klassengesellschaft" wolle sie nicht. Er plädierte für eine nochmalige, gründliche Beratung.

Auch Hans Jung, der als Beigeordneter die Sitzung leitete, fürchtete "große Schwierigkeiten in den Ortsbezirken", wenn man sich dort zwischen der Ausweisung eines Neubaugebietes und der höheren Förderquote entscheiden müsse. Achim Zender (FWM) missfiel es ebenfalls, den Ortsbeiräten solche Entscheidungen abzuverlangen.

Der Sozialdemokrat Marcus Heintel hielt dagegen den vorgeschlagenen Ansatz für "sehr sympathisch" und den Begriff der "Zwei-Klassen-Gesellschaft für "übertrieben". Uwe Andretta plädierte dafür, den Ortsfrieden nicht zu stören, während Frank Klein (FDP) einen Kompromiss vorschlug: Statt Schwerpunkt-Orte zu bilden, sollten die Ortsbezirke mit zusätzlichen Finanzmitteln ausgestattet werden.

Das Thema wurde vertagt, die beiden Förderprogramme mit leichten Veränderungen fortgeschrieben. Auch ein Architektenbeirat zur Unterstützung der Kommune soll eingerichtet werden.

Meinung

Zwei Klassen gibt es ohnehin

Orte, die für Sanierungsmaßnahmen im Ortskern eine höhere Förderquote für ihre Bauherren erreichen möchten, sollen auf Jahre hinaus auf ein Neubaugebiet verzichten und damit die positive Entwicklung im Ortskern unterstützen. Das ist der Kern der Entscheidung, die - ginge es nach dem Vorschlag des Arbeitskreises Bauen den Ortsbezirken abverlangt werden sollte. Keine leichte Entscheidung zugegebenermaßen, aber durchaus ein Schritt in die richtige Richtung. Denn schon heute hat so manches Dorf mit Leerständen zu kämpfen. In zehn Jahren wird sich dieses Bild deutlich verschlechtert haben. Doch durch ein solches Förderprogramm entsteht keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Es gibt sie längst. Es gibt große und kleine Dörfer, Dörfer mit und ohne Einkaufsmöglichkeiten, mit und ohne Kindergärten, mit und ohne Grundschulen. Das sind alles Kriterien, nach denen Bauherren heute schon ihre Standortentscheidung treffen. Und insofern ist es auch richtig, wenn es für manche Dörfer mehr Unterstützung gibt, weil sie sie benötigen. i.rosenschild@volksfreund.de

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