Und sie bewegen sich doch nicht

Und sie bewegt sich doch", soll einst Galileo Galilei gesagt haben, nachdem er mit Folterwerkzeugen vor Augen die Behauptung, die Erde sei nicht der Mittelpunkt des Universums und bewege sich um die Sonne, widerrufen hatte.

Mit mehr Verwunderung und weniger Überzeugung liegt das Zitat manchen Beobachtern der bisherigen Rolle des Landes Rheinland-Pfalz im Zusammenhang mit der geplanten Kommunalreform auf den Lippen. Denn während man aus Mainz bisher nur vorsichtigste Pläne zur Umverteilung der einen oder anderen Zuständigkeit zwischen Ortsgemeinden, Verbandsgemeinden und Kreisen gehört hatte, setzt sich nun Innenminister Karl Peter Bruch mit überraschender Dynamik an die Spitze einer Bewegung, an deren Ende nicht nur ein "Allen-wohl-und-keinem-weh-Konzept", von dem außer ein paar Verwaltungsangestellten niemand etwas merkt, stehen könnte. Die - gerade in einem Kommunalwahljahr, auf das ein Landtagswahljahr folgen wird - überraschend konkreten Vorgaben zur Zusammenlegung allzu kleinteilig organisierter oder auf engstem Raum doppelt vorhandener Verwaltungen, könnten tatsächlich so etwas wie der Startschuss zu einer Kommunalreform sein, die diesen Namen auch verdient und mittelfristig den Verwaltungsaufwand an Mensch und Material vermindert. Die Reaktionen der kommunalen Würdenträger vor Ort waren erwartungsgemäß abwehrend. Ein bisschen kooperieren: Ja. Aber wirklich gemeinsame Sache machen: Auf keinen Fall! Dabei wird in bewährter Weise mit räumlicher Distanz argumentiert. Im Zeitalter des Internet wird dieser Aspekt aber immer weniger stichhaltig, zumal wenn man bedenkt, wie viele persönliche Kontakte der Normalbürger tatsächlich mit seiner Kommunalverwaltung hat. Jeder möge bei sich selbst prüfen, wie oft er in letzter Zeit persönlich im Rathaus oder bei der Kreisverwaltung war.

So überraschend die immer noch gemäßigte Bewegung in Mainz ist, so wenig überraschend sind die lokalen Beharrungstendenzen. Dies führt zu einem weiteren Aspekt der Galileo-Geschichte, wenn auch mit veränderten Vorzeichen: Es bedarf offenbar mehr als nur der vom Land versprochenen finanziellen Anreize, um Kommunalpolitiker in Richtung einer effektiveren und natürlich auch kostengünstigeren Verwaltungsstruktur in Bewegung zu setzen. Deshalb sollte Mainz den Bewegungsunfähigen ein paar mögliche Folterinstrumente zumindest einmal vor Augen halten!

l.ross@volksfreund.de

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