Und wächst und wächst und wächst: Rittersdorf in der Eifel

Rittersdorf · Mainz, Prag, Winnipeg, Kiew und Rittersdorf. All diese Orte verbindet die Lage auf demselben Breitengrad. Anders als an den meisten Orten in der Eifel, im Hunsrück oder an der Mosel wächst seit Jahren die Bevölkerung in dem Dorf unweit von Bitburg.

Rittersdorf. Das Wort Bevölkerungsrückgang ist in Rittersdorf ein Fremdwort. Und das hat drei Gründe: Die Nähe zur Stadt Bitburg und zwei Neubaugebiete. Walter Heyen hat diese Entwicklung kommunalpolitisch begleitet. Erst als Gemeinderatsmitglied und erster Beigeordneter und seit 2009 als Ortsbürgermeister. Er sagt: "Die Gemeinde hat nur noch zwei Baustellen, die wir verkaufen können. Wir müssen darüber nachdenken, ein neues Baugebiet zu erschließen." Doch so weit ist es noch nicht. Erst einmal muss die Gemeinde mit den positiven Folgen der Bevölkerungsexplosion klarkommen. Laut amtlicher Statistik stieg die Zahl der Einwohner Rittersdorfs von 1062 im Jahr 1992 auf aktuell rund 1470. Um die 120 Häuser sind auf einst grüner Wiese entstanden. Diese Entwicklung verlief wohl auch deshalb so rasant, weil die Grundstückspreise im Ort mit 50 bis 60 Euro nur halb so hoch sind wie im drei Kilometer entfernten Bitburg.
Dieses Wachstum hat seinen Preis. 480 000 Euro wird die Gemeinde in eine fünfte Kindergartengruppe investieren, da sonst die Einrichtung aus allen Nähten platzt. "Einen großen Teil dieser Summe schultert die Ortsgemeinde", sagt Heyen. Ehe es die beiden Baugebiete auf dem Damesberg und im Wisengrund sah die Welt noch anders aus. Da musste sogar schon einmal die vierte Gruppe im Kindergarten geschlossen werden, weil es an jungen Rittersdorfern fehlte.
Nicht mehr ganz so jung und trotzdem gerne Rittersdorfer ist Wolfgang Wirth. Der 75-Jährige war der Erste, der ein Haus im Neubaugebiet baute, das am Ortsende von Rittersdorf hoch oben über der Nims liegt. "Das war damals schon abenteuerlich", erinnert sich der gebürtige Hesse, der von seinen Nachbarn vor einiger Zeit zum "Bürgermeister" von Damesberg gekürt wurde. Wer heute durch das Gebiet mit seinen neuen Häusern fährt, kann sich nur schlecht vorstellen, dass es anfangs dort nur so von Baustellenfahrzeugen und Handwerkern gewimmelt haben muss. "Das ging Schlag auf Schlag", sagt Wirth. "Inzwischen sind wir nahezu ausnahmslos eine verschworene Gemeinschaft." Da wird gemeinsam gefeiert, da wird sich geholfen, und da werden auch gemeinsam Gerätschaften angeschafft. Ist also alles in bester Ordnung? "Nicht unbedingt", sagt der Pensionär. Er hat den Eindruck, dass es oft mit dem Kontakt zwischen den Alt-Rittersdorfern und Neu-Rittersdorfern in den Baugebieten nicht richtig klappt. Jeder lebe für sich. Das liege teilweise auch daran, dass es keinen richtigen Ort für Begegnungen gebe. Das Gemeindehaus sei für Rittersdorf viel zu klein, die vom Theaterverein genutzte Bühne in einem Gasthaus gibt es nicht mehr, und das Umrüsten der Turnhalle an der Grundschule sei zu aufwendig.
Rittersdorfs richtiger Ortsbürgermeister Walter Heyen bewertet die Angelegenheit etwas anders. "Es braucht wohl seine Zeit, bis die neuen Bürger integriert sind", sagt er. Das gehe nicht von heute auf morgen. In ein paar Jahren spiele das wohl keine Rolle mehr. Gleichwohl kann sich Heyen nicht vorstellen, dass es solch ein Baugebiet wie im Wiesengrund noch einmal geben wird. Doch viele Möglichkeiten hat die Ortsgemeinde nicht, wenn sie Bauland zur Verfügung stellen will. "Natürlich wünschen wir uns, dass Innen- vor Außenentwicklung geht", sagt Heyen. Doch die Freiflächen im Dorf seien nahezu ausschließlich in Privatbesitz. "Da kommen Sie nicht ran", sagt er. Eine Tatsache, die für Rittersdorf genauso gilt wie für viele andere dörflich geprägte Gemeinden in der Region. Auch wenn die anderen Orte nicht so schnell gewachsen sind wie der Ort am 50. Breitengrad unweit von Bitburg.Extra

Der 50. Breitengrad verläuft zwischen Burg und Übereisenbach durch den Landkreis Bernkastel-Wittlich und den Eifelkreis Bitburg-Prüm. Im nächsten Teil geht es um einen Wanderweg bei Burg mit dem Breitengrad als Thema und das Wandern in Gesellschaft. har

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