Unrecht hält sich nicht auf Ewig

Wittlich · Die aus Hermeskeil stammende Schriftstellerin Shida Bazyar war in der Stadtbücherei zu Gast und hat aus ihrem Roman "Nachts ist es leise in Teheran" gelesen. Sie überzeugte durch ihr Buch und ihre Ausstrahlung.

 Geduldig signierte Shida Bazyar im Anschluss an die Lesung Bücher. Hier mit Besucherin Monika Mußeleck. TV-Foto: Christina Bents

Geduldig signierte Shida Bazyar im Anschluss an die Lesung Bücher. Hier mit Besucherin Monika Mußeleck. TV-Foto: Christina Bents

Foto: Christina Bents (chb) ("TV-Upload Bents"

Wittlich "Der Glaube an Gott ist einfacher als der Glaube an neue Ideen", das ist ein Gedankengang, den Behsad bei einer Kundgebung der Kommunisten im Iran im Jahr 1979 hat. Behsad ist eine Romanfigur von Shida Bazyar, ein Revolutionär und Kommunist, der mit Mitte Zwanzig neue Hoffnung für sein Land hat. Doch es gibt schon erste Anzeichen, dass es anders kommen könnte. Junge Männer, fast noch Kinder, lassen sich Bärte stehen und werden mit Waffen ausgerüstet. Moscheeverbot gibt es für die, denen nachgesagt wird, sie würden Witze über den Propheten machen.
Das Buch "Nachts ist es leise in Teheran" erzählt die Geschichte einer Familie, die aus dem Iran nach Deutschland gekommen ist, in vier Kapiteln. Jedes wird aus der Sicht eines Familienmitglieds und im Abstand von zehn Jahren erzählt. Der erste Teil spielt im Iran im Jahr 1979. Im Zweiten ist Behsad mit seiner Ehefrau Nahid und seinen zwei Kindern 1989 in Deutschland.
Die Autorin liest eine Stelle vor, die bei einem Grillabend bei einer deutschen Familie spielt, bei der sie zu Gast sind. "Behsad nickt. Er nickt immer, wenn Walter etwas sagt. Erst später wird er mit mir darüber diskutieren. Er spricht mit Walter und Ulla über deutsche Literatur. Ich würde mir nie anmaßen, mit ihnen darüber zu sprechen", so eine Passage. Die beiden machen sich auch Gedanken über die politische Kultur in Deutschland und fragen sich, ob es hier etwas geben könnte, wogegen sie rebellieren sollten. Sie sind sich einig, dass es Gründe gäbe, aber die Menschen in Deutschland haben keinen Drang danach. Von einem Freund im Iran, der dort verhaftet wurde, haben sie schon lange nichts mehr gehört. Die Kultur und die Stimmung im Iran lernt man in dem Kapitel kennen, indem die älteste Tochter mit ihrer Mutter und der kleinen Schwester dorthin reisen. "Verwandte überall, man wird auf die Wangen geküsst, an der Hand gehalten, erkennt das Lachen der Tante wieder schaut eigene Kinderfotos an, die man selbst nicht kennt, und Fotos von meinem Vater, der mit seinem vollen schwarzen Haar aussah, wie Roy Black im Revoluzzerdress." Laleh, die älteste Tochter im Buch, weiß nicht, wie sie mit den vielen Komplimenten, die ihr gemacht werden, umgehen soll. Da springt ihre Mutter ein und sagt: "Eure Augen sehen es schön." In der Stadtbücherei, in der die Lesung im Rahmen der interkulturellen Woche in Wittlich stattfand, hörten die rund 50 Besucher sehr aufmerksam zu. Die Autorin las mit einer sehr angenehmen, weichen Stimme, und in einem Leserhythmus der das Zuhören einfach machte. Durch ihre genaue Schilderung der Räume, in denen sich ihre Figuren befinden und die manchmal dichte, manchmal verträumte Erzählweise, kommen nachdenkliche und spannende Situationen auf. In manchen Personen erkennt man Menschen wieder, wie beispielweise Ulla und Walter, und ein Grinsen kann sich hier kaum jemand verkneifen.
Die Besucher wollten anschließend wissen, wieviel des Romans autobiographisch ist, wie oft sie schon im Iran war und welche Perspektive sie für das Land sieht. Sie antwortete darauf, dass sie die Familienkonstellation, mit drei Kindern, eins wurde hier geboren, übernommen hat. Die Figuren selbst sind ihrer Fantasie entsprungen. Dreimal war sie insgesamt im Iran, zum Urlaub und für die emotionale Recherche. Mit Zukunftsprognosen für den Iran tut sie sich schwer, da ihr dazu stichhaltige Analysen fehlen. Sie glaubt aber, dass es zu einem Bruch kommen wird, "weil sich Unrecht nicht auf ewig hält."
Das Buch ist im Kiwi-Verlag erschienen unter der ISBN: 978-3-462-05057-8.
Extra: DIE AUTORIN DES BUCHES


Shida Bazyar wurde 1988 in Hermeskeil geboren und studierte literarisches Schreiben in Hildesheim. Sie lebt in Berlin und arbeitet als Bildungsreferentin für junge Menschen, in der verbleibenden Zeit schreibt sie. Für "Nachts ist es leise in Teheran" ist sie mit dem Kulturpreis der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, dem Bloggerpreis für Literatur und dem Ulla-Hahn-Autorenpreis ausgezeichnet worden.

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