Archiv Februar 2020 Wie kam es zum Todessturz in Wittlich? Gericht hört drei Versionen

Wittlich/Trier · Eine Frau kommt in Wittlich nach einem Streit mit ihrem Freund ums Leben. Die Landgericht hat das Verfahren fortgesetzt. Der Angeklagte bestreitet die Tat.

Verfahren um tödlichen Sturz fortgesetzt: Angeklagter hält sich für unschuldig.
Foto: Roland Morgen

  „Meinen Sie, Sie seien unschuldig“, fragt Staatsanwalt Arnold Schomer den Angeklagten. „Ja“, antwortet dieser. Über Schuld und Unschuld am tragischen Tod einer jungen Frau wird am Ende allerdings die Schwurgerichtskammer des Trierer Landgerichts entscheiden. Eine Bewohnerin des Mehrfamilienhauses am Pleiner Weg in Wittlich hörte in der Nacht zum 17. August 2019 einen heftigen Streit des in der Nachbarwohnung lebenden jungen Paares (der TV berichtete mehrfach). Dann habe sich der Streit auf die Dachterrasse verlagert, einige Hilfeschreie der Frau, dann kurz vor Mitternacht draußen ein dumpfer Knall: Die junge Frau war aus fast zehn Metern Höhe von ihrer Terrasse in die Garageneinfahrt gestürzt. Sie starb an ihren Verletzungen. Diese Schilderung stammt von einem Trierer Kriminalbeamten. Er berichtet am zweiten Verhandlungstag von den Vernehmungen im Zuge der Ermittlungen.

 Der Freund der Frau war sofort in Verdacht geraten – er befand sich nach einer mehrjährigen Gefängnisstrafe erst seit einigen Wochen wieder auf freiem Fuß. Noch aus der Vollzugsanstalt hatte er Kontakt zur ehemaligen Freundin aufgenommen. „Seit April waren sie wieder ein Paar“, sagt der junge Mann auf der Anklagebank. Gefasst wirkt er nicht. Gegenüber auf der anderen Saalseite sitzt als Nebenklägerin die Mutter der Verstorbenen. Er vermeidet jeden Sichtkontakt. Aber er will über sich und die Nacht zum 17. August reden. Die eigene Biografie zu schildern, fällt ihm eher noch leicht – auch wenn es keine erfreuliche Geschichte ist. Zunächst eine glückliche Kindheit, aber ab der dritten Klasse die Gewalt. „Ich habe immer zugeschlagen, weil ich mich nicht verständigen konnte“, sagt er. Dann berichtet er von Kinder- und Jugendpsychiatrie, Unterbringung in Jugendmaßnahmen, Jugendstrafen, eine abgebrochene Lehre, Jobben als Leiharbeiter. Dazu kämen „Alkohol schon seit Jugend an und etwa ab 18 Jahren auch Betäubungsmittel“. Immerhin hat er den Hauptschulabschluss mit 1,6 gemacht und sieht sich eher selbstkritisch: „Ich habe keine Einsicht und Interesse, mir Fehler einzugestehen.“

Dann kommt die Rede auf den fraglichen Abend und die Stunden zuvor. Aufgemuntert von seiner Verteidigerin Martha Schwiering kommen die Worte erst stockend, dann flüssiger, aber öfter von Tränen unterbrochen. Er schildert die Stunden vor dem Drama, etwa so, wie in der Anklageschrift festgehalten: Erst gemeinsamer Alkoholkonsum in der Wohnung, dann mit einem befreundeten Paar zur Säubrennerkirmes, wo er aber mit der Freundin so in Streit gerät, dass er ihr am Ende die Wohnungsschlüssel zurückgibt. Schließlich steht er ohne Schlüssel vor der verschlossenen Tür. „Verschwinde“ habe sie von innen gerufen. Der Angeklagte: „Dann gab es innen einen Bumms, ich machte mir Sorge und habe die Tür eingetreten.“ Danach sei man heftig aneinandergeraten: Er ohrfeigt sie, sie kratzt ihn. Das bestätigen die später zum Schauplatz geeilten Streifen- und Kripobeamten. „Die Wohnung sah nach Kampf aus. Und der junge Mann, den wir unten bei der Schwerverletzten festnahmen, wies zahlreiche frische, noch blutende Kratzspuren auf.“

Doch was geschah, nachdem sich der Streit auf die Terrasse verlagert hatte? Der Angeklagte: „Sie hörte dort nicht auf, mich anzugreifen, schrie ein paar Mal laut ,Hilfe!‘. Dann schien es besser zu werden, ich drehte mich kurz von ihr weg, um mein Lächeln darüber nicht zu zeigen. Als ich mich wieder nach ihr umdrehte, war sie weg.“ Nun hakt der Staatsanwalt nach: „Und wieso haben sie der Polizei kurz nach dem Sturz erzählt, sie sei selbst über das Geländer geklettert und gesprungen?“ Die Antwort ist unklar. Eine dritte Version präsentiert der Kripobeamte.  Ihm habe der Beschuldigte bei der Vernehmung gesagt: „Es muss auf der Terrasse etwas passiert sein, entweder von mir oder von ihr aus.“ Und was mit dem Messerstich unters Kinn der Freundin sei, wird der Angeklagte gefragt. Antwort: „Es gab kein Messer.“ Es sei tatsächlich trotz intensiver Suche nicht gefunden worden, erklärt der Kripo-Mann.

Die Verhandlung wird am 12. Februar, 14 Uhr, fortgesetzt.

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