Verhinderte Rennfahrer im Moseltal

Bernkastel-Kues/Piesport · Des einen Freud, den anderen Leid. Motorradfahrer lieben die kurvigen Strecken, die von der Mosel in Hunsrück und Eifel führen. Doch manchen Anwohnern geht der Lärm auf die Nerven. Die Maschinen werden immer lauter. Die Polizei steht dem weitgehend machtlos gegenüber, weil die EU die Zulassung der Kräder regelt.

Bernkastel-Kues/Piesport. "Die Motorrad-Saison ist wieder eröffnet. Das Wochenende hat die Raser angelockt. Muss das sein?", fragt Irmgard Hill aus Piesport in einem Brief an den TV. Es gebe Menschen, so schreibt sie, die ihre Tour genießen und vernünftig fahren. In der Überzahl seien aber Raser, vor allem Gruppen mit niederländischen Kennzeichen, die durch die Weinberge des "Piesporter Goldtröpfchens" brausen. "Liegt der Spaß nur an der Raserei?", fragt Irmgard Hill.
Mit ihrem Hinweis auf die gelben Nummernschilder liegt sie nicht falsch. An den 30 Motorradunfällen, die sich 2012 an der Mittelmosel zwischen Piesport und Kröv ereigneten, waren, so die Polizei, sechsmal Fahrer aus den Beneluxländern (Niederlande, Belgien) beteiligt. Aufgeführt sind dabei nur Maschinen mit mehr als 125 Kubikzentimetern.
Volker Kirsch, ebenfalls aus Piesport, spricht sogar von "Lärmterror" und fordert stärkere Kontrollen. Am Wochenende hätten von morgens bis abends verhinderte Rennfahrer den Piesporter Berg als Rennstrecke missbraucht.
Im laufenden Jahr hat es an der Mittelmosel bei zehn Unfällen auch schon einen Toten gegeben: einen Niederländer, der in einer Gruppe auf der kurvigen Strecke zwischen Bernkastel-Kues und Longkamp unterwegs war. "Dessen Maschine hatte etwa 160 PS", sagt Axel Schnitzius, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues. Am Dienstag verunglückte ein Fahrer bei Prüm tödlich. Ein leichter Zug am Gas könne schon verheerend wirken, besonders auf kurvigen Strecken, erläutert Schnitzius.
Organisierte Gruppenfahrten


Die Zahl der holländischen Motorradfahrer nehme zu, bestätigt der Beamte. "Von dort werden verstärkt Gruppenfahrten am Wochenende organisiert und später im Internet besprochen", erläutert er. Wer das Land hinterm Deich kennt, weiß auch um seine Topografie: flach. Das sind die Kurven, die von der Mosel in Richtung Hunsrück und Eifel führen, schon fast von hochalpinem Charakter.
Das scheint sich auch in anderen Ländern herumgesprochen zu haben. "Bei den letzten Kontrollen haben wir beobachtet, dass der Anteil ausländischer Motorradfahrer geschätzt bei nahezu 50 Prozent liegt", berichtet Schnitzius. Seine zweite Einschätzung: "Der Anteil der gemütlichen Cruiser scheint rückläufig. Immer häufiger sind leistungsstarke Superbikes unterwegs." Besonders beliebt sind die Berg- und Talstrecken zwischen Piesport und Klausen. Mülheim und Monzelfeld, Bernkastel- Kues und Longkamp sowie zwischen Traben-Trarbach und Longkamp. Tausende Motorradfahrer sind, so Schnitzius, bei gutem Wetter an Wochenenden an der Mosel unterwegs. Die Zahl der Unfälle ist also gar nicht so hoch. Bei 70 Prozent der Crashs kommen, so der Beamte, aber Menschen zu Schaden.
Ein Problem für viele Bürger ist allerdings der Lärm. Ein einziges Motorrad kann im engen Moseltal für ein Geräusch sorgen, das auch noch in mehreren Hundert Metern Entfernung zu hören ist. Der Wind und das Wasser der Mosel tragen die Schallwellen. Lärm, der beispielsweise auf der rechten Moselseite entstehe, sei auf der anderen Seite oft viel lauter, berichtet Schnitzius. Anwohner können das bestätigen. Viele Motorräder seien von Natur aus laut, sagt Schnitzius. Eine Regelung auf EU-Ebene erlaube dies. Die Polizei sei da bei ihren Kontrollen machtlos, weil für Motorräder andere Regeln gelten als für Autos. Manche Maschinen seien noch zusätzlich aufgemotzt. Mit einem kleinen Schraubendreher könne ein Bauteil entfernt und der Auspuff manipuliert werden. Wer erwischt wird, muss ein Bußgeld (50 Euro) zahlen und bekommt drei Punkte in der Verkehrssünderkartei. Das Bauteil werde sogar oft mitgeführt und müsse vor Ort wieder eingesetzt werden.
Volker Abel sind solche Praktiken fremd. Der Düsseldorfer ist mit Gleichgesinnten und Sozia auf dem zweiten Sitz unterwegs. "Wir bevorzugen eher die gemütliche Fahrweise sagt er". Er wisse aber von vielen Gesprächen, dass andere Fahrer oft den besonderen Kick suchen. 708 Fahrer bezahlten ihn im Jahr 2011 in Deutschland mit dem Leben.Extra

Die Zahl der Motorradunfälle schwankt. Eine eindeutige Tendenz ist nicht zu erkennen. Im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues kam es 2008 zu 20 Crashs (kein Toter, drei Schwerverletzte, neun Leichtverletzte). In den Folgejahren sah es so aus: 2009 (26/1/4/12), 2010 (19/0/5/9), 2011 (21/0/3/11) und 2012 (30/0/8/11). cbExtra

In Deutschland sind knapp vier Millionen Motorräder zugelassen. Zum Vergleich: Es gib etwa 42 Millionen Autos. Das Motorrad hat meist nur in der wärmeren Jahreszeit Saison. Was sind seine Fahrer für Menschen? Meist solche, die zwar früh den Führerschein gemacht haben, dann aber erst einmal kein Geld für eine Maschine hatten, glaubt Herbert Fuss, Leiter der Abteilung Verkehr und Technik beim ADAC Mittelrhein. Im reiferen Alter, ab 45, kommen seiner Ansicht nach immer mehr von ihnen zu Wohlstand und können sich eine Maschine leisten. Deshalb nehme die Zahl der Motorradfahrer auch zu. Fuss hat selbst eine Maschine und ist gerne in der Gruppe unterwegs. Motorradfahren mache Spaß sagt er. Links und rechts Freiheit zu genießen und überall anhalten zu können, stehen für ihn im Vordergrund. Er bilde sich ein, genügend Vorsicht walten zu lassen und habe auch noch nie einen Unfall gehabt. Seine Devise für die Fahrt in der Gruppe. "Der Schwächste sollte vorne fahren." cb

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort