Verwirrung im Gerichtssaal

Wittlich · Ein Taschenrechner, rauchende Köpfe und Ratlosigkeit: Bei einer Befragung vor dem Amtsgericht ergaben sich Unklarheiten bei der Anklage.

Wittlich Nervös sitzt der 29-jährige Beschuldigte neben seinem Anwalt, als die Anklage verlesen wird. Es dauert lange, bis der Vertreter der Staatsanwaltschaft diese vorgetragen hat. Sie lautet auf gewerbsmäßigen Computerbetrug in elf Fällen und gewerbsmäßige Untreue in 17 Fällen (der TV berichtete). Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, von Oktober bis Dezember 2015 als Verwaltungsmitarbeiter in einem Seniorenheim im Kreis Bernkastel-Wittlich Geld der Einrichtung für sich selbst abgezweigt zu haben. Außerdem soll er Geld aus einer Verwahrkasse genommen haben. Und alle Geldentnahmen werden einzeln vorgelesen.
Fünf Mal soll er Schecks für das Seniorenheim in Höhe von insgesamt 3500 Euro für sich eingelöst haben. Elf Mal habe er mit einer Bankkarte, die nicht ihm gehörte, insgesamt 6900 Euro abgehoben. Und in 17 Fällen wird er beschuldigt, Bargeld im Wert von 8100 Euro entnommen zu haben.
Von der Richterin aufgefordert, erzählt der Angeklagte die Problematik aus seiner Sicht: "Die Buchführung ist nicht professionell." Sie sei strukturlos, und außerdem habe das erhöhte Arbeitspensum ihn oft davon abgehalten, alles ordentlich zu verbuchen. Diesen Fehler räume er ein.

Er sagt: "Ich habe das Geld nicht privat genutzt. Die Kassenführung stimmt nicht, das gebe ich zu. Aber ich habe nichts für mich genommen." Denn er sei nicht nur in der Verwaltung tätig gewesen, sondern habe auch andere Arbeiten wie Hausmeistertätigkeiten übernommen. Die Kasse habe er gemeinsam mit einer Kollegin geführt. Und auch die Bankkarte habe er nutzen dürfen. Bei der genaueren Befragung des Angeklagten durch die Richterin stellte sich heraus, dass der Fall komplexer und komplizierter ist, als ursprünglich gedacht. Denn die verschiedenen Bereiche der Verwaltung, in dem der Angeklagte tätig war, arbeiten nicht zusammen. Einzahlungen von Taschengeld für die Bewohner, die in bar oder per Überweisung getätigt werden können, harmonieren zum Beispiel nicht mit der Kasse.
Das bedeutet: Nimmt man etwas für einen Bewohner aus der Kasse, wird es nicht im allgemeinen System vermerkt, sondern nur im Konto des Bewohners, also in einem anderen System. Nach Aussage des Angeklagten spielten noch andere Faktoren eine Rolle: Denn teilweise seien nur einmal im Monat Kontoauszüge der Bank gekommen, und Bestände seien nicht immer aktuell vermittelt worden.
Diese Erklärung überprüft die Richterin mit einem Taschenrechner. Auch der Anwalt des Angeklagten rechnet nach. Und es stellt sich heraus, dass die Erklärung nachvollziehbar ist. In allen Stichproben stimmen die Beträge mit der Erklärung des Angeklagten überein.
Die Hauptverhandlung wird zur weiteren Ermittlung ausgesetzt. Denn nun müssen nach dem gleichen Verfahren nochmals die Anschuldigungspunkte überprüft werden. Die geladenen Zeugen werden nicht angehört.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort